Sonntag, 2. August 2009

Bückware

Es zog mich zurück an den gestrigen Fundort. Zu vieles war liegen, zu vieles hängen geblieben. Ich will, dass auf meinem Regal noch mehr rote Mirabellengläser stehen. Weil das nämlich genauso gut ausschaut wie es sich anfühlt. Außerdem habe ich bereits festgestellt, wie gut ein Mitbringsel ankommt, wenn es aus einem Gläschen selbsteingemachter Mirabellen besteht. Wohlgemerkt, von mir selbst eingemacht. Weil, die Beschenkten schauen mich immer ganz fassungslos an, fragen 'was, du? Du kochst selber ein? Ich fasse es nicht!' und freuen sich nochmal einen obendrauf, sobald sie die Fassung wieder erlangt haben. Und das freut mich dann wiederum, ist ja klar.
Schauen also gut aus, fühlen sich gut an, und schmecken tun sie nicht gut, sondern höllisch gut. Gekocht in wenig Prosecco mit viel braunem Zucker. Nur ganz kurz. Vor dem Kochen piekse ich sie alle mit vielen feinen Nadelstichen durch die Haut, sodass sie nach dem Kochen durch und durch besoffen sind. Geht auch ohne Prosecco, nur sind nachher die Mirabellen halt nicht besoffen, logisch. Im letzten Fall schmecken sie fruchtig-freundlich, im ersten süffig-sündig.

Heute war ich besser ausgerüstet als gestern: mit einem alten Spazierstock vom Nachbarn und einer ausgedienten Geflügelzange. Den Stock mit der Krümmung für die hohen Zweige, die Zange fürs effiziente Arbeiten im Bückbereich. Dort unten lief es heute besonders ergiebig.
Ein Kind kam des Wegs, ganz allein. Kinder ohne Erwachsene sind meistens interessant. Das Kind schlurfte auf viel zu großen Krokodilschuhen daher
und schlürfte dabei an einem Fläschchen mit rechtsdrehendem Inhalt.
Das Kind blieb stehen und schaute mir beim Aufklauben der Bückware zu; wir waren auf Augenhöhe.
"Was machst du da?", fragte das Kind.
"Mirabellen sammeln", antwortete ich.
Das Kind schwieg und nuckelte. Ich klaubte. Zeit verstrich.
Dann das Kind: "Was sind Maribullen?"
Ich: "Mirabellen. Früchte zum Essen."
Kind: "Was sind Früchte?"
Ich: "Das, was auf den Bäumen wächst. Weißt du, was ein Apfel ist?"
Kind nickt.
Ich: "Ein Apfel ist eine Frucht."
Kind schüttelt den Kopf, "ein Apfel ist ein Apfel."
Ich: "Andere Früchte kennst du keine?"
Kind denkt nach. Heftiges Kopfnicken: "Doch. Viele. Tmutis."
Ich, Bahnhof verstehend: "Was für Früchte?"
Kind reckt seinen Arm mit dem Milchsäurefläschchen mir entgegen und ruft: "Tmuu-tiis!", dabei die Vokale lang dehnend.
Ach so. Kind spricht von der Früchte-, ehm, Getränkegattung Smoothies. Viele Früchte. Aus vielen guten Früchten. Aus lauter frischen Früchten. Oder so ähnlich. Im praktischen PET-Fläschchen. Eben das, was man so unter 'Früchten' versteht.
Eine fremde Stimme war zu hören, die laut den Namen des Kindes rief. Das Kind rollte mit den Augen und seufzte: "Papa." Der Papa rief, das Kind solle sofort zum Parkplatz kommen. Das Kind trollte sich widerwillig. Zum Abschied winkte es mit seinem Fläschchen.
Auf dem Parkplatz nahm das Kind einen letzten Schluck, drehte dann die Flasche kopfüber
und wedelte mit einer routinierten Bewegung die verbliebenen Tropfen heraus. Genauso routiniert wie unsereins Mirabellenkompott kocht. Mittlerweile.

8 Kommentare:

  1. guter tip mit dem einkochen :)! klingt echt lecker - und das ist dann wirklich alles [mirabellen, prosecco und zucker]? *ungläubig guck*

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  2. Das Einkochen selbst dauert keine 5 Minuten (je länger koch, desto kompottiger; je kürzer, desto stückiger). Das einzig Aufwendige ist die Piekserei. Lohnt sich aber. Statt Prosecco geht auch Weißwein. Mit Zimt dran schmeckt auch toll. Nur Mut...:)!

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  3. hm, ich habe noch prosecco zu hause, trinke ihn aber eigentlich nicht - guter zeitpunkt also :). ich werde mir allerdings mirabellen [o.ä.] kaufen müssen; hier liegen die nämlich leider nicht am wegesrand oder baumeln von ästen, und das, obwohl ich im kaff residiere... ich werde berichten!

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  4. Mal ehrlich, der Prosecco schmeckt in den angeschickerten Früchten tausendmal besser als aus einem doofen Glas :).

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  5. japp. aber brauche ich wirklich einmachgläser? nö, oder? so lange ich schnell genug esse ;)...

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  6. Ich nehme normale Schraubgläser und bin ein schneller Mirabellenesser ;). Außerdem, der Prosecco/Alkohol konserviert doch auch ein wenig, oder? Ach egal, das Zeug schmeckt so köstlich, dass es eh nicht lange auf dem Regal rumsteht.

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  7. durch die schraubgläser erreicht man beim abkühlen schon den "vakuumeffekt". da sollte das kompott schon ziemlich lange halten. über den winter sicher. und viel zucker konserviert auch gut. :)

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  8. Ha. Du glaubst doch nicht, dass inzwischen auch nur ein einziges Mirabellchen übrig ist? Obwohl der Winter noch nicht mal angefangen hat. Alles längst vertilgt.

    Das mit dem Vakuumeffekt stimmt, der Plopp beim Öffnen ist immer ein guter Sound. Das Plopp. Die Plopp. Herrje...;)

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