Sonntag, 23. Mai 2010

Pappelpalaver


Wieder was gelernt. Man hält sich ja für botanisch schlauer als man tatsächlich ist. Ich zum Beispiel war bis heute früh felsenfest davon überzeugt, dass es sich bei den derzeit marodierenden Wattemassen um Birkenpollen handelt. Keineswegs, klärte mich die Frau auf, deren neue Etagennachbarin ich bin: Es war die Pappel und nicht die Birke. "Wenn es aussieht wie fliegende Baumwolle, ist es die Pappel." Nun ist mir schleierhaft, wo all die vielen Pappelbäume stehen sollen, deren Absonderungen mich massiv heimsuchen; ich habe in meiner neuen Umgebung noch keine einzige Pappel gesichtet. Wo also kommt der ganze Pappelpollen her?

Ein Lob dem Treppenhausschwatz. Mit Pappelpollen würde ich wiederum danebenliegen, antwortete die Kennerin (bekommt seit langem um diese Jahreszeit ihre Terrasse vollgepappelt), vielmehr handele es sich um Pappelsamen. Und mit seinen feinen Pappelsamenhärchen könne der Pappelsamen ausgezeichnet fliegen und komme eben gut herum. Ein Langstreckenspezialist, sozusagen.

Kurzstrecken beherrscht der Pappelsamen sowieso mühelos, und wenn ich sage beherrscht, dann meine ich das wirklich. Das weiße Fluffi-Zeug beherrscht meine Wohnung. Kleine Wohnung, kurze Strecken. Unzählige Plätze zur Zwischenlandung hält der Pappelsamen besetzt; für die Endlagerung sucht er sich die am schwersten zugänglichen Winkel. Von draußen schwärmen stets neue Pappelsamengeschwader herein. Es gibt kaum eine sinnentleertere Tätigkeit als Pappelbaumwollmäusen hinterherzuputzen. Ich glaube, irgendwie so fühlt sich feindliche Übernahme an.

Hinzu kommt, dass die Baumwollmäuse innerhalb kürzester Zeit sich mit den gemeinen Hauswollmäusen heimtückisch paaren zum Zwecke unkontrollierbarer Nachwuchsproduktion. Heraus kommen dabei kindskopfgoße Staub-Watte-Mutanten, die, hat man mal einen von ihnen am Boden mit dem längsten Staubsaugerrohr ergattert, sich rächen mit verstärkter Flockenberieselung von oben herab, auf dass die Kaninchen erblassen vor Neid ob solch unbändiger Fortpflanzungslust.

Man zählt die kleinen Bastarde übrigens, botanisch-zoologisch betrachtet, zur Gattung der sogenannten Baumhaus-Wollmäuse, deren geheime Kommandozentrale sich in einem Garten ganz in meiner Nähe befindet:
Mich wundert nichts mehr.

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