Montag, 28. Februar 2011

Kick it like Baba



Ich werd' verrückt. Oh Mann, ist das gut. Kick it, Baba.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Hände



Mehr als Balsam
auf meine Seele
und besser
als jede Handcreme
auf meine schwieligen
Hände.

Mittwoch, 23. Februar 2011

Wer backt, wird verknackt


Die Zeiten sind hart. Und sie werden, wenn nicht alles täuscht, noch härter werden. (Mindestens so vollendet hart wie das vollendete Futurum exactum.)

Wer schon heute von der Hand in den Mund lebt, wird dies aller Wahrscheinlichkeit nach auch künftig tun müssen; und wer, wie ich, zu dieser rasant sich vermehrenden Gattung der Auserwählten gehört, macht sich so seine Gedanken, wie er das harte Los am besten gebacken kriegt.

Gebacken, das war das magische Wort. Wer selber backt, ist klar im Vorteil. Denn wer selber backt, neigt automatisch dazu, sich das passende Geschäftsmodell zu backen: Hat man sich erst mal mit dem improvisierten von-der-Hand-in-den-Mund-Leben eingerichtet, spricht eigentlich nichts dagegen, passgenau zum Lifestyle das entsprechende Produktions- und Distributionsschema aufzuziehen und es als das ganz große Ding zu verkaufen:


1. Zieh an der Schnur.

Das hat zur Folge, dass es irgendwo im zweiten Stock klingelt.

2. Klemm eine Eindollarnote an die Schnur.

Jemand aus dem zweiten Stock zieht die Schnur mit dem Dollar nach oben.


Alles weitere, nämlich Gute, kommt von oben:

3. Zieh dir einen frischgebackenen fat cookie rein.

Von der Hand in den Mund. Ein Geschäftsprinzip mit Zukunft, finde ich.

Vielmehr, fand ich. Denn leider war dem kleinen Backbusiness keine vollendete Zukunft vergönnt - obwohl die Abverkäufe bombig liefen, die Laufkundschaft den Mund gar nicht voll genug kriegen konnte und die drei Kleinstbäcker alle Hände voll zu tun hatten. Nach nur einer Woche Geschäftserfolg platzte die Blase.

Denn die Obrigkeit schritt ein und setzte dem innovativen Straßenverkaufstreiben ein jähes Ende (via laughingsquid); nach dem Motto: da könnte ja jeder, und wenn das jeder machen würde, und überhaupt, wo kämen wir da hin?

Ja, wo kämen wir da hin? Vielleicht in den Untergrund? Jedenfalls lassen die Fat Cookies durchblicken, dass sie nicht gewillt sind, ihr Backblech widerstandslos zu räumen. Bereits ihr offizielles Statement klingt hoffnungsfroh subversiv,
Natürlich werden wir das Gesetz respektieren, aber wir sind nicht gänzlich bereit, die Finger von den Fat Cookies zu lassen - haltet einfach die Augen offen!
und inoffiziell lassen sie keinen Zweifel daran, dass ihre Schokoplätzchen so schnell nicht totzukriegen sein werden:
We'll try to find ways to fill your bellies in the future!
We'll be back.
Das nennt man unvollendete Zukunft.

Montag, 21. Februar 2011

Staub zu Staub


Sensationelles ist zu berichten aus der internationalen Staubforschung. Ja doch, Staubforschung! Offiziell nennt sich die Staubforschung zwar nicht Staubforschung - wiewohl sie sich der Staubforschung widmet, oder präziser, der Erforschung des Hausstaubes - vielmehr wird die zu erforschende Materie wissenschaftsumständlich mit "Inhäusige Staubpartikelchen" umschrieben. Ist aber wurscht, denn Dreck bleibt bekanntlich Dreck, egal wie man ihn nennt.

Womit die zentrale Hypothese der Kleinstpartikelforscher bereits umrissen wäre, nämlich: Dreck bleibt Dreck und geht nicht weg. Oder: Magst du auch wedeln, magst du auch pusten, den Staub schert das wenig, nur du musst husten - weshalb Putzmuffel aller Generationen längst ihren Staubwedel abgeschafft beziehungsweise sich nie einen solchen angeschafft haben. Neu ist, dass die Unlust der Anti-Abstauber jetzt gestützt wird durch ein wissenschaftliches Back-up, das da lautet: Der Hauptverursacher von Hausstaub ist - jawohl, die Tätigkeit des Staubentfernens an und für sich.

Es ist das Staubwischen und -wedeln selbst, das ständig neuen Staub produziert, zusätzlich zu dem alten Staub, den es ständig aufwirbelt und in dessen Luftstrom neuer Staub in Bewegung gesetzt wird. Wer Staub wischt, züchtet sich sozusagen in einem Arbeitsgang stets neue Sedimente von Staub, denen er dann wieder hinterherwedeln darf. Der Staubwischer sorgt also eigenhändig für die Fortpflanzung, ja, die Vermehrung des Staubes:
Die ganze Staubwischerei hat unerwünschte Konsequenzen: Eigentümlicherweise brütet Staubwischen nachgerade Staub aus. In der Tat ist das Staubwischen einer der drei Hauptverursacher von Hausstaub, gemäß der Forschung über inhäusige Staubpartikelchen.
Man sollte das Staubwischen also sinnvollerweise einstellen. Und sich stattdessen kritisch mit den zwei weiteren Hauptverursachern von Hausstaub auseinandersetzen:
Kochen folgt an zweiter Stelle.
War mir eigentlich schon immer klar, dass Kochen die Hütte nicht unbedingt sauberer macht, erst recht, seit ich in der Gastronomie zugange bin. Also, das Kochen am besten auch bleiben lassen.

Rücken wir nun dem dritten Hauptverursacher von Hausstaub auf den Leib:
Bewegung steht an dritter Stelle bei der Verursachung von Hausstaub.
Bewegung, und zwar die des Leibes, erzeugt Bewegung, und zwar die des Staubes - hätte man auch von alleine drauf kommen können, aber wenn der Sachverhalt von einem Experten der chemischen Verfahrenstechnik bestätigt wird, fühlt man sich doch gleich auf der sicheren Seite:
Jeder menschliche Schritt setzt winzige Partikel von Schmutz, Fasern, Ruß, Pollen, Farbe, Lebensmitteln und abgestorbener Haut frei. All diese Partikelchen werden im allgemeinen Sprachgebrauch als Staub bezeichnet, sagt Richard Flagan, Vorstand des Fachbereiches chemische Verfahrenstechnik am California Institute of Technology. ... Einige tausend dieser Partikelchen wabern in jedem Kubikzentimeter Luft, also einem Raum so groß wie ein Stück Würfelzucker.
Huch. Wabern, hat er gesagt - da überlegt man doch lieber zweimal, ob man den nächsten Schritt tatsächlich tun oder nicht besser regungslos auf dem Sofa sitzen bleiben sollte, um ein paar würfelzuckergroße Stückchen staubfreie Luft zu schnappen.
Wir gehen durch unser Leben und stoßen dabei - wie es die Wissenschaftler ausdrücken - eine Art "persönliche Wolke" an Staub aus.
Jetzt reicht's aber. Was tun? Staubwischen einstellen. Kochen einstellen. Bewegung einstellen. Was bleibt?
Die einzige Alternative ist der Tod -
Schon heftig.
- aber der ist ja noch schlimmer,
Schlimmer als was? Ach so, ja, schlimmer als der Hausstaub. Moment, wieso ist der Tod schlimmer als der Hausstaub?
weil, wohin dann mit dem ganzen "Asche zu Asche, Staub zu Staub"-Dings?
Und womöglich keiner da, der das ganze Staub-zu-Staub-Dings wegwischt. Dann doch lieber was Schönes kochen. Und sich ein bisschen bewegen. Ein paar Staubwolken ausstoßen. Und sich mit dem Staubwischen Zeit lassen.



Dienstag, 15. Februar 2011

Puh, sprach der Bär



Puh, sprach der Bär, kann mir mal jemand sagen, wie man Karriere macht?
Karriere verpatzt? Sorgen Sie für einen großen Auftritt. Bestehen Sie nicht auf Ihrer Einzigartigkeit. Setzen Sie sich auf einen Zaun und schauen Sie vorher genau, auf welcher Seite Sie wieder herunterkommen.
(zitiert nach A. A. Wilne via Wikipedia)

Sonntag, 13. Februar 2011

Beltz Revisited


Der deutsche Geist zur Einheit eilt,
denn Deutschland war lang zweigeteilt.
Ein Trost bleibt uns trotz dieser Macken:
Auf ewig hat der Arsch zwei Backen.

Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal in einem Konzert war. Ist ja immer so teuer. 17 Euro, ein Vermögen. Aber hey - Big Spender! Zwei spendable Jungs luden mich ein.

Nicht ohne Vorwarnung: "Mach' dich auf was Ungemütliches gefasst." Wie, ungemütlich? "Ja, nix zum Zurücklehnen und Genießen." Sondern? "Eher vorne auf der Stuhlkante. Bisschen bösartig. Ziemlich abgedreht. Brauchste starke Nerven." Hab' ich doch. "Nicht so wie du denkst. Die schrecken vor nichts zurück." Wer? "Die beiden Musiker. Denen ist nichts heilig. Die machen richtig Krach." Wie, Krach? Keine Musik? Ich denke, wir gehen ins Konzert? "Alles Definitionssache." Was denn jetzt? "Musikalischer Krach, wenn du so willst." Oh Jessas. "Wart's ab."

Foyer. Überwiegend ältere Herrschaften. Überwiegend etwas zu jugendlich zurechtgemacht. Überwiegend mit Rotweinglas in der Hand. Foyer halt.

Gesprächsfetzen. "Wird bestimmt ein toller Abend." - "Die Karten waren ruckzuck ausverkauft." - "Der X und die Y haben keine mehr bekommen." - "Der X und die Y?" - "Weißt schon, der Alte mit der Jungen." - "Ach, der." - "Genau der, hö hö." - "Ist ja richtig viel Prominenz hier. " - "Hast du gesehen? Die Bürgermeisterin ist auch gekommen." - "Ist ja auch ein gesellschaftliches Ereignis, hö hö." - "Ja, hö hö hö, wieder mal in alten Zeiten schwelgen." - "Ist ja heute alles nicht mehr so wie früher, Prost!" - "Guten Rotwein haben sie hier, kann man nicht meckern." - "Wenigstens der Rotwein ist heute besser als früher." - "Hö hö hö." - "Wir haben alles andere für heute abend abgesagt." - "Wir auch - wär' da nicht die Party bei dieser CDU-Tante gewesen?" - "Auf die Party kannst du immer noch nach dem Konzert gehen." - "Erst das Vergnügen, dann die Arbeit, hö hö." - "Hö hö hö!" - "Das Vergnügen lassen wir uns nicht nehmen!" - "Heut' abend gehen wir zum Beltz!"
Parmesan und Partisan
Wo sind sie geblieben
Partisan und Parmesan
Alles wird zerrieben
Big Spender One: "Sind mindestens zu 80 Prozent ehemalige Straßenkämpfer hier."
Big Spender Two: "Betonung auf 'ehemalige'."
Big Spender One: "Jetzt alle im Ruhestand."
Big Spender Two: "Rotwein-Rentner."

Beltz? Welcher Beltz? Matthias Beltz. Satiriker und politischer Kabarettist. Bisschen bösartig. Ziemlich abgedreht. Einer mit starken Nerven. Schreckte vor nichts zurück. Heilige Kühe waren ihm fremd. Starb mit 57 Jahren an einem Herzinfarkt. Sprachkünstler auf dem Drahtseil, immer haarscharf balancierend zwischen tiefschürfendem Wortwitz und höherem Nonsense. Triefend vor Sarkasmus. Verächter von Heldenverehrung und andächtigem Kult. Liebhaber von Provokation und Permanenzreibung.

Konzert. Auf der Bühne zwei Herren mit sympathisch-bescheidenem Auftreten. Beide im dunklen Anzug, der ältere mit Schlips, der jüngere ohne. Keyboards, Electronics, Schläuche, geräuschproduzierende Gegenstände, Akkordeon. Klänge. Geräusche. Gerumpel. Geschepper. Gefiepe. Mal lärmig laut, mal flüsternd leise. Mal rhythmisch, mal nicht. Immer wenn sich ein groovender Beat andeutet, wird der Klangschönheit ganz schnell die Spitze wieder abgebrochen. Botschaft: Glaubt bloß nicht, wir wollen, dass ihr euch wohlfühlt.

Beltz fädelt sich ein. Nur als Stimme, denn der Rest von ihm bleibt oben. Oben? Im Himmel. Ist ja tot. Oben - Beltz remixed heißt das Werk. Auf Begleitspuren wird die Stimme von oben eingespielt, derweil es unten die beiden Herren ordentlich krachen lassen. Beltz singt, spricht, raunt, nuschelt und verschluckt wie eh und je souverän die Wortendungen; die Herren Carl und Augst tröten, klimpern, rasseln und sampeln nach Herzenslust ihr eigenes Material dazu.

Gelegentlich singen sie sogar gemeinsam mit Beltz. Dessen Stimme wird elektronisch bis zur Schmerzgrenze verfremdet. Dessen Singsang wird so systematisch gegen den Strich gebürstet, dass es schon wieder passt wie die Faust aufs Auge, denn nichts hat dem Schlitzohr Beltz besser gefallen als seine eigenen Worte und die Sprechblasen anderer notorisch gegen den Strich zu bürsten.

Publikum. Das hörspielartige Klanggebilde kommt äußerst schräg und irritierend daher - eine Zumutung für unschlitzohrige, harmoniebedürftige Ohren; besonders für solche, die sich nach einem gefälligen Rotwein ein gefällig-nostalgiegetränktes Wiederhören mit dem kultisch Verehrten erhofft hatten: Wasch mir den Beltz, aber mach mich nicht nass. Der Frust im Publikum war mit Händen zu greifen. Nervöses Füßescharren. Unruhiges Hinternrutschen auf den Stühlen. Genervt-unterdrücktes Seufzen. Der schwächliche, nach jeder Nummer absolvierte Applaus war enden wollend und klang unehrlich. Ich sehnte mich nach ehrlicher Unhöflichkeit. Ich hörte, wie hinter mir eine Frauenstimme zischte: "Was soll das? Warum tun die das unserem geliebten Beltz an?" Eine Männerstimme fragte leise, ob sie lieber gehen wolle? Unmöglich, fauchte sie flüsternd, "wie sieht das denn aus?" Ich fand, es hätte gut ausgesehen.
Europa ist ein Irrenhaus und Deutschland die geschlossene Abteilung.
Foyer. Nach dem Konzert entleerte es sich zügig. Keine Gespräche, keine diskutierenden Grüppchen, kein heftiges Für und Wider. Schnell die Mäntel an der Garderobe abholen, Blickkontakte vermeiden. Schnell raus auf die Straße - mit Sicherheit nicht, um dort zu kämpfen, sondern, wie ich mit einem Ohr aufschnappte: "Wollen wir nicht doch noch schnell bei der CDU-Tante vorbeischauen?" - "Gute Idee, auf 'nen Absacker." - "Hab' ich jetzt auch dringend nötig."

Die Jungs in den Spendierhosen hatten recht behalten. Das war nichts für schwache Nerven gewesen. Beim Nachhauseradeln entsann ich mich eines Spruches von Matthias Beltz. Der Samstag, hat er mal in seiner Vorliebe fürs Makabre gesagt, sei der Faschist unter den Wochentagen, weil er da einfach nicht aus dem Bett rauskomme. Gestern war Samstag. Gut, dass er es gestern geschafft hat, sich mal kurz aus seinem Grab zu erheben.


(Zitate von Matthias Beltz via matthiasbeltz.de)

Donnerstag, 10. Februar 2011

Nimm Pfötchen


Es gibt Hunde, es gibt Hofhunde, und es gibt Höllenhunde. Unter den Höllenhunden wiederum gibt es gebändigte und ungebändigte. Die ungebändigten Höllenhunde lassen sich nochmal in zwei Untergruppen aufteilen, nämlich zum einen diejenigen, die zwar ungebändigt, aber noch mit einem Rest Hundevernunft ausgestattet sind, zum andern jene, die völlig durchgeknallt sind.

Zu den ungebändigten, durchgeknallten Höllenhunden gehört die besonders unberechenbare Subspezies des Anarcho-Höllenhundes. Den Anarcho-Höllenhund erkennt man daran, dass er von Kopf bis Fuß rabenschwarz ist und ansonsten wild wie die Wildsau; ferner daran, dass im Einzelfall seine Besitzer mindestens so anarchistisch disponiert sind wie ihr Höllenhund (man weiß nicht genau, wer wem die Hölle heißer macht, Hund oder Herrchen), weshalb der Anarcho-Höllenhund nicht etwa - was eigentlich naheliegend und durchaus zutreffend wäre - auf den Namen Zerberos hört, sondern auf den vertrauensbildenden Namen Fräulein Jekyll. Um genau zu sein, er (also sie) hört selbstverständlich nur dann auf diesen Namen, wenn es ihr gerade in den Kram passt.

Zu Fräulein Jekylls Lieblingsbeschäftigungen gehört es - kaum dass sie die Eingangstür sich öffnen hört -, mordlüstern um die Ecke geschossen zu kommen, ein Höllenspektakel zu veranstalten und blutrünstig nach den Hosenbeinen oder Handtaschen von Gästen, Kunden und Lieferanten zu fletschen. Aus der Küche ertönt dann regelmäßig Herrchens Ruf "Ruhe, Fräulein Jekyll!", was den Anarcho-Höllenhund allenfalls zu gefährlichem Knurren besänftigt, was so viel bedeutet wie 'Jetzt bloß keine falsche Bewegung, klar?'.

Als ich vor ein paar Wochen das erste Mal zur Eingangstür herein- und Fräulein Jekyll wie ein schwarzer Donnerdrachen um die Ecke geschossen kam, fürchtete ich um Leib und Leben; zumindest ernsthaft um meine Waden. Ich war wie vom, nun ja, Donner gerührt stehen geblieben, traute mich weder vor- noch rückwärts, und fast hätte es das Höllenviech geschafft, mich schnurstracks aus dem Laden wieder rauszubellen.

Inzwischen hat sich das Blatt dramatisch gewendet. Wenn ich neuerdings zur Eingangstür hereintrete, kommt der rabenschwarze Donnerdrachen um die Ecke geschossen mit ohrenbetäubendem Gebell, springt zur Begrüßung erst einmal im Kreis um mich herum und dann an mir hoch, wirft mich dabei jedes Mal fast um und freut sich halbtot. Ich mich auch.

Gut, heute habe ich augenblicklich bedauert, meinen Dienst in einer frühlingshaft senfgelben Jeans angetreten zu haben, denn Fräulein Jekyll hinterließ ungeniert ihre Pfotenspuren, vorne, hinten, oben, unten, überall. Aber was soll man machen - senfgelb mit anthrazitfarbenen Tupfen sieht halt nicht mehr so arg frühlingshaft aus, dafür irgendwie ziemlich anarchomäßig. Passt schon.

Samstag, 5. Februar 2011

Schuhnummer


Ein paar Tage lang habe ich jetzt die roten Schuhe hin- und hergetragen: rein in den Rucksack, angezogen, gearbeitet, ausgezogen, wieder rein in den Rucksack, zuhause ausgepackt, am nächsten Tag wieder rein in den Rucksack, angezogen, gearbeitet, ausgezogen, wieder rein in den Rucksack, ... und immer so weiter.

Bis es schließlich gestern abend den roten Schuhen zu dumm wurde. Wieso ich sie die ganze Zeit so hirnlos durch die Gegend schleppen würde, wollten sie von mir wissen. Wieso lässt du uns nicht einfach dort stehen, wo wir hingehören?, maulten sie herum, gerade als ich sie wieder mal in den Rucksack stecken und mit ihnen nach Hause fahren wollte.

Hm, sagte ich zu den roten Schuhen in meiner Hand und überlegte, ohne dass mir eine gescheite Antwort eingefallen wäre. Weil, inzwischen, nach knapp zwei Jahren, haben die roten Schuhe ja schon einiges von der Welt gesehen, haben reichlich Erfahrungen gesammelt und wollen deshalb bei wichtigen Entscheidungen ein Wörtchen mitreden.

Gestern abend nun, nach Feierabend, gebärdeten sich die beiden ausgesprochen bockig. Wir wollen nicht mehr zu dir nach Hause, grantelte der linke; wir wollen hier bleiben, knurrte der rechte. Dann schimpften beide drauflos: Warum in aller Welt sollen wir bei dir zuhause, wo es nichts für uns zu tun gibt, nur dumm rumstehen? Und dann, quasi im Sprechchor: Wir bleiben hier, basta!

Meine Gegenwehr war schwach, mir fehlte die Durchsetzungskraft, weil mir die Argumente fehlten. Hilflos brabbelte ich etwas von wegen: Na hört mal, man lässt ja auch nicht gleich seine Zahnbürste in fremder Leute Badezimmer stehen, bloß weil man gerade jemand Nettes kennengelernt hat, oder? Ich muss nicht besonders überzeugend geklungen haben, denn der eine Schuh blaffte kurz angebunden: Dummes Zeug!, während der andere rechthaberisch auftrumpfte: Fremd? Wieso fremd? Wir fühlen uns hier wohl. Wir fühlen uns hier wie zuhause. Mit deutlicher Betonung auf Wir.

Ich gab auf. Ich ließ den roten Schuhen ihren Willen und beschloss, auf dem Nachhauseweg über meinen eigenen Willen nachzudenken. Beim Radeln merkte ich, wie leicht der Rucksack ohne die Schuhe geworden war. Und plötzlich merkte ich, wie leicht mir ums Herz geworden war. Vielleicht sollte man wirklich öfter auf seine Schuhe hören. Jedenfalls, wenn sie rot sind.

Dienstag, 1. Februar 2011

Bombenprämie


'Cash for Clunkers' war die amerikanische Variante der deutschen Abwrackprämie, die so funktionierte: Gib uns dein altes Schrottauto und wir geben dir Bares dafür. Feiner Deal.

'Cash for Work' ist ein Programm internationaler Hilfsorganisationen in Krisen-, Kriegs- und Katastrophengebieten, das so funktioniert: Hilf uns bei den Aufräumarbeiten und wir geben dir Bares dafür. Feiner Deal.

Also, das Programm sollte so funktionieren.
"Die lokale Bevölkerung wird in die Katastrophenbewältigung mit einbezogen."
Klingt sinnvoll. Irgendwie.

Wie funktioniert das Programm tatsächlich?
"Besonders effektiv sind die Programme nach Naturkatastrophen, zerstörerischen Kriegen und in Zeiten von akuten Nahrungsmittelkrisen."
Was macht nun diese Programme speziell nach zerstörerischen Kriegen so besonders effektiv?

Das:


Im Rahmen des 'Cash-for-Work'-Programms händigt ein afghanischer Junge einem US-Army-Sergeant eine nicht explodierte Bombe aus, was jener mit den Worten kommentiert: "Cash for Work works." Auf Deutsch: geht doch. Oder: Das Programm funktioniert.
"Das Programm bietet der lokalen Gemeinschaft eine Partnerschaft an, indem es die Bevölkerung versorgt mit Einkünften aus Tagelöhnerarbeit und dem Abliefern von nicht gezündeter Artillerie." (ISAF Joint Command)
Wie gesagt, das Programm funktioniert.

Andernorts ist zu lesen:
Vorteile von Cash for Work-Programmen (u.a.):
  • Geringere Arbeitslosigkeit durch Kurzzeit-Jobs
Es werden kurzfristige Arbeitsplätze für einen großen Teil der betroffenen Bevölkerung geschaffen.
"Kurzfristige Arbeitsplätze" - treffender und zynischer lässt sich der Cash-for-Work-Einsatz des abgebildeten jungen Tagelöhners kaum formulieren: Gib uns den Blindgänger und wir geben dir Bares dafür (natürlich nur, wenn du bei der Übergabe noch lebst). Feiner Deal.
"Employing kids in Afghanistan to collect unexploded ordnances isn't the best way to win hearts and minds, it's a PR disaster waiting to happen." (Bucky Turco, Animalnewyork)
Frei übersetzt: Hier wartet eine tickende Zeitbombe.