Samstag, 2. Juni 2012

Vom Hörensagen


Die schweigende Mehrheit.

Auch so ein Konstrukt, bei dem man sich die Ohren zuhalten muss, andernfalls fliegen sie einem vom Kopf vor lauter ohrenbetäubendem Krach.


Einer, der sich gern die Ohren zuhält, ist der Premierminister der kanadischen Provinz Québec, Jean Charest. Québec, das ist jener Teil Kanadas, wo seit nunmehr 110 Tagen ein lautstarker Massenprotest auf den Straßen tobt, klappert und scheppert. Täglich, wohlgemerkt. Unüberhörbar.

Weil es jeden Tag immer mehr Menschen (also Wähler) werden, die topfschlagend durch die Stadt Québec ziehen und gegen die Regierung, namentlich deren neuestes antidemokratisches Machwerk Loi 78* aufbegehren, spitzt sich die Lage zu: Vorgezogene Neuwahlen könnten anstehen. Was den Premierminister zu einem Appell an die Wähler (also Menschen) veranlasst, doch bitte nicht auf die dauerprotestierenden Menschenmassen (also Wählermassen) zu hören oder gar deren Beispiel zu folgen, die ihrem Unmut derzeit auf den Straßen und demnächst an den Wahlurnen Luft machen.

Mit anderen Worten, der Premierminister appelliert an die Bürger (Wähler, Menschen, Massen), seinem Beispiel zu folgen und sich einfach die Ohren zuzuhalten.
"Es liegt jetzt an der schweigenden Mehrheit sich zu artikulieren."
Hinter verschlossenen Türen und mit zugehaltenen Ohren fügte er hinzu, er verstünde - bei dem ganzen Krach der artikulationsfähigen Mehrheit - sein eigenes Wort nicht mehr und unterschrieb daher hellhörig seinen Aufruf mit den Worten:
gez.: die schwerhörige Minderheit.

*ein am 18. Mai 2012 verabschiedetes Notstandsgesetz zur Außerkraftsetzung der Versammlungs- und Redefreiheit

Update:
Am heutigen Samstag feiert die schweigende Mehrheit.
Es wird vermutlich laut werden:


Dies ist kein Studentenstreik.
Dies ist eine Gesellschaft, die aufwacht.

Wie, Gesellschaft?

Ja, Gesellschaft. Wer sonst.

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