Donnerstag, 8. November 2012

Demokratie, verabschiedet


Wie bekannt, wurde am gestrigen späten Abend im griechischen Parlament das sogenannte "Sparpaket" (vereinbart zwischen Regierung und Troika) "verabschiedet".

Warum "Sparpaket" statt Sparpaket? Weil es obszön ist, von Sparen zu sprechen, wenn eine Regierung unter Druck von oben 90 Prozent ihrer Bevölkerung auf die wirtschaftliche Schlachtbank und das Land in den Ruin treibt.

Warum "verabschiedet" statt verabschiedet? Weil das einzige, was gestern abend in Athen tatsächlich verabschiedet wurde, die Überreste des demokratischen parlamentarischen Systems waren:
Während der Abstimmungsprozedur erhob die Opposition Einwand gegen die Verletzung der nationalen Verfassung durch mehrere Aspekte des 'unique artcle' (= "Sparpaket"). gemäß den Verfahrensregeln stimmten die Parlamentsmitglieder per Handhebung, und der Einwand wurde von den Anwesenden akzeptiert. Allerdings zog der Vorsitzende (Parlamentsmitglied der Regierungspartei Nea Dimokratia) das Ergebnis in Zweifel und forderte eine namentliche Abstimmung, eine Forderung, die von der Opposition akzeptiert wurde. Jedoch - nachdem klar wurde, dass nicht genügend Parlamentsmitglieder der Regierungspartei anwesend waren - unterbrach der Vorsitzende die ganze Prozedur und verlangte eine 30-minütige Pause vor einer Fortsetzung der Abstimmung. Diese Pause, die gegen den Willen der Opposition und entgegen der Verfahrensregeln gemacht wurde, dauerte weitaus länger als 30 Minuten und zielte darauf ab, alle abwesenden Parlamentarier zurück in den Plenarsaal zu forcieren, damit sie - selbstverständlich - gegen die Verfassungswidrigkeit jener speziellen Aspekte des unique article (= "Sparpaket") stimmten.
Vor einer Weile hat die Abstimmung begonnen. Der Plenarsaal ist nun gefüllt mit Parlamentarieren, die zuvor nicht anwesend gewesen waren...
Ganz offensichtlich hat diese Regierungskoalition schon seit langer Zeit jegliches Gefühl der Verpflichtung verloren, sich nach den Wünschen und Interessen des Volkes zu richten; aber in den letzten Tagen hat sie sogar die letzten Grenzen überschritten, grundsätzlichen demokratischen Regeln - und sei es nur zum Schein - zu folgen. Dies ist umso folgenschwerer angesichts jener Maßnahmen, die von ihr akzeptiert werden, Maßnahmen, die nicht nur die Austerität und die Rezession verschlimmern, sondern verlangen, alle öffentlichen Versorgungseinrichtungen aus der Hand zu geben, alle Institutionen des Gemeinwohles, das Land, das Wasser und die Ressourcen des Staates, Maßnahmen, die sämtliche sozialen, Arbeits- und Umweltrechte aushöhlen.
Die Situation ist sehr kritisch, und da eine Kenntnis dieser Situation wichtig ist, um eine Solidarisierung zu erreichen, nehme ich mir die Freiheit, euch zu informieren und darum zu bitten, die Bürger eurer Länder zu informieren und euch zu solidarisieren.
Wir dürfen ihnen nicht erlauben, unsere Rechte noch mehr zu verletzen! Wir müssen unsere Kämpfe gemeinsam weiterführen, in ganz Europa!
Mit kameradschaftlichen Grüßen,
Nikos
(Nikolaos Chountis, Mitglied des Parlamentes für SYRIZA)
via Red Slice

P.S.:
Nach der namentlichen Abstimmung wurden die nunmehr namentlich bekannten Abweichler der Parteien Nea Dimokratia und Pasok von deren Parteivorsitzenden aus ihren Fraktionen ausgeschlossen.

via Athens News

Dimitris Hatzopoulos - Ta Nea Newspaper

1 Kommentar:

  1. Die armen Griechen. Gilt das Land doch als Wiege der Demokratie. Und heute? Heute leidet das Volk unter der Diktatur der EU. Von einer Wahlmöglichkeit kann man in Griechenland nicht sprechen.
    http://www.start-trading.de/blog/2012/11/08/demokratie-der-grieche-hat-keine-wahl/

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