Mittwoch, 14. November 2012

Ohne Grenzen


Rockaways, Queens (New York City)

Ärzte ohne Grenzen - wer denkt da nicht an Dritte-Welt-Länder? An wirtschaftlich unterentwickelte Staaten? An medizinische Nothilfe in Krisen- und Kriegsgebieten? Wo war die nochmal, die sogenannte Dritte Welt? Richtig, in den industriell hoch entwickelten Industriestaaten der sogenannten Ersten Welt. Der hoch entwickelte Kapitalismus schafft es nämlich nicht mehr, in seinen eigenen Krisengebieten die humanitäre Nothilfe samt erforderlicher Koordination und Logistik bereit zu stellen. Vielleicht will er es auch gar nicht schaffen. Vielleicht scheren ihn humanitäre Notstände auf eigenem Boden noch weniger, als man bislang dachte. Jedenfalls fühlt er sich überfordert.
Im Gefolge des Hurrikans Sandy haben 'Ärzte ohne Grenzen' ihr erstes Krankenhaus in den Vereinigten Staaten errichtet. Eine Woche, nachdem Sandy über New York gestürmt war und Elektrizität und öffentlichen Nahverkehr lahmgelegt hatte, eröffneten 'Ärzte ohne Grenzen' befristete Notkliniken in den Rockaways - ein abgelegener Teil von (New Yorker Stadtteil) Queens am Atlantischen Ozean -, um sich um Bewohner von Hochhäusern zu kümmern, die immer noch ohne Strom und Heizung leben und von dem Sturm isoliert wurden.
Vom Sturm isoliert wurden? Seit der Sturm die Halbinsel verwüstet hatte, wurden die Bewohner Rockaways nicht vom Sturm, sondern von jeglicher Hilfe isoliert:
Die Situation in Far Rockaways ist entsetzlich und völlig außer Kontrolle. Ans Haus gebundene alte Menschen können ihre Wohnungen nicht verlassen, weil sie keine Treppen steigen können. Sie brauchen Medikamente und ärztliche Versorgung, zusätzlich zu Essen und Wasser. Aus einem der Gebäude wurde gestern ein Leichensack gezogen. Es gibt dort keine National Guard, kein Rotes Kreuz oder sonst irgendeine Organisation für Katastrophenhilfe.
- und wer es noch nicht erraten hat, der kann es sich - mithilfe seiner Desasterkapitalismus-gestählten Phantasie - fast denken: Bei den zuerst vom Sturm, dann von offizieller Hilfe isolierten Bewohnern von Rockaways handelt es sich überwiegend um arme, alte, gebrechliche oder kranke, jedenfalls hilfsbedürftige Menschen. Was soll's, um alles und alle kann er sich nun mal nicht kümmern, der hoch entwickelte Kapitalismus. Ärzte ohne Grenzen, übernehmen Sie.

Obwohl. Andererseits ist der Desasterkapitalismus US-amerikanischer Prägung um grenzwertige "einzigartige Lösungen" zur Behebung von katastrophenbedingten Notständen nicht verlegen. Allein in Staten Island (New York) haben über 5.200 Menschen infolge des Sturmes kein Dach mehr über dem Kopf. Nur rund zwei Dutzend von ihnen konnte bislang mit einer Notunterkunft geholfen werden. Wohin mit dem lästigen Rest?


Antwort: Ab in den Knast. Zu irgendeiner Zweitverwertung müssen stillgelegte Gefängnisse ja gut sein, im Kapitalismus, auch wenn diese heruntergekommen, "mit deaktivierter Infrastruktur", also ohne funktionierendes Abwassersystem und Heizung vor sich hin gammeln. Könnte sich um ein zukunftsweisendes Konzept zur "Lösung" des im hoch entwickelten Kapitalismus um sich greifenden Obdachlosenproblems handeln: endlich alle unter einem Dach. Schlecht versorgt, aber unter Kontrolle. Und, nötigenfalls, hinter Schloss und Riegel.

Was will man mehr? Musik, bitte:


Redman's Hurricane Sandy Relief Freestyle

1 Kommentar:

  1. USA: Dritte-Welt-Land auf Steroide. Das kommt dabei raus, haben wir ja auch schon bei Katrina gesehen.

    Schlimm

    Gruß Steffi

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