Freitag, 25. Januar 2013

Durch den Wind


Schon wieder dieses leidige Thema Arbeitslosigkeit. Dass diese Nervensäge aber auch keine Ruhe geben kann, nicht mal für eine kurze Woche!

Das heikle Sujet hat sich inzwischen - man glaubt es kaum - sogar bis nach Davos herumgesprochen. Davos, das ist jener Hochsitz in der Schweiz, wo jedes Jahr eine geschlagene Woche lang mit nimmermüder Begeisterung über Wirtschaftswachstum geschnattert wird. Da kommt dieses Ding mit der stetig steigenden Arbeitslosigkeit natürlich als veritabler Stimmungskiller für die versammelte Elite, aber was soll man machen, man muss sich des Themas irgendwie annehmen, weil, wie sieht das denn sonst aus, drunten bei denen in den Niederungen.

Wie zu lesen ist, greift man in Davos, wenn die Arbeitslosigkeit aufs Tapet kommt, besonders gern zu der Metapher "Gegenwind". Ganz schön windig, finde ich. Vermutlich bezieht sich der Gegenwind auf das zarte Pflänzchen Wachstum, dem die Arbeitslosigkeit kalt und bösartig ins Gesicht bläst, um es an seiner Blüte zu hindern. Ich warte schon auf eine großflächig plakatierte Kampagne:
"WIR sind Wachstum - DU bist Gegenwind!" 
- so mit aggressiv ausgestrecktem Zeigefinger, auf dass jeder vorbeischlendernde arbeitslose Schlendrian vor lauter Scham augenblicklich in den Straßenboden versinken und nimmermehr aufstehen werde. Damit wäre dann endlich das lästige Thema wie weggeblasen.

Bis es so weit ist, muss halt in Davos weiter geschnattert und so getan werden als ob. Geschnattert wurde gestern; das war zufälligerweise auch der Tag, an dem die neuesten Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit in Spanien veröffentlicht wurden: Ihr, der Jugendarbeitslosigkeit, ist es aktuell gelungen, die 60-Prozentmarke zu knacken - mithin Gegenwind der gehässigsten Art. Also zog man in Davos alle Register und schnatterte über Jugendarbeitslosigkeit, dass die Dielen knarrten und die Designer-Skibretter sich bogen.

Eins der rhetorischen Highlights zur konzertierten Bekämpfung des verheerenden Gegenwindes war ohne Zweifel der Vorschlag des schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt, der "sich sorgte", es gäbe "viel zu wenige Jobs im Niedriglohnbereich für junge Leute", kein Wunder, dass die Jugendarbeitslosigkeit durch die Decke ginge. Boah, der Schwede bringt frischen Aufwind in den Gegenwind; dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer vielleicht dies:


Dann war da noch Klaus Schwab, Gründer des World Economic Forum in Davos, der - ebenfalls in großer Sorge - die überzogene Anspruchshaltung der jungen Leute beklagte:
"Die Zeiten sind vorbei, wo den jungen Leuten die Jobs auf dem Tablett serviert wurden; sie (die jungen Leute) werden sie (die Jobs) selbst erschaffen müssen."
- womit er souverän der spanischen (dicht gefolgt von der griechischen) Jugendarbeitslosigkeit jeglichen Wind aus den Segeln genommen haben dürfte - sowie, nicht zu vergessen, der sachkundige Beitrag aus Deutschland: Angela Merkel zog eine sorgenvolle Schnute. Kann sie ja auf Knopfdruck.

Dabei ist das doch alles gar nicht sooo dramatisch mit dieser penetranten Jugendarbeitslosigkeit, ich meine, pfft, 60 Prozent, bitte, was sind schon 60 Prozent? Wir warten erst mal ganz entspannt ab, bis die Jugendarbeitslosigkeit 100 Prozent erreicht hat. Das dürfte frühestens - Moment, ich muss mal kurz hochrechnen, also, letztes Jahr um diese Zeit lag die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bei 50, dieses Jahr bei 60 Prozent, na ja, noch ein paar Jährchen mit zusätzlichem kräftigem Rückenwind vom Wirtschaftswachstum, Stichwort 'jobless recovery', müsste also zu schaffen sein - im Jahr 2016 eintreten. Oder auch erst 2017.

Hui, wie lustig das um die Ohren pfeifen wird. Bei Windstärke 100. Volle Kraft voraus, Davos!

2 Kommentare:

  1. bei 60% arbeitslosigkeit böte sich eine 10-20 stunden woche mit anständigen gehältern als dauerhafte lösung des problems geradezu an. und locker finanzieren ließe sich das auch noch, wenn man mal die billionen spenden an die banken ins auge fasst.
    Logo, daß die versammelte gangsterbande von davos nicht auf solche wunderbaren lösungen kommt, traurig allerdings, daß auch arbeitnehmer und ihre "vertreter" immer nur arbeit, arbeit, arbeit schreien.

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    1. Großer Gott, 20-Stundenwoche, wo kommen wir denn da hin? So was würde in Davos einen mittleren Tsunami auslösen. Geht gar nicht. Man muss das Problem schon wie A. Merkel anpacken, die flehte in ihrer Rede in Davos die Industrie an, den jungen Leuten „jobs, peace and hope“ zu geben - damit war das Thema Jugendarbeitslosigkeit abgehakt.

      Ansonsten hieß sie die Krise herzlich willkommen, denn diese zwinge die europäischen Politiker endlich zu längst überfälligen „Strukturreformen“, zu denen eine 20-Stundenwoche garantiert nicht gehört. Wir lernen: Let them eat Strukturreformen.

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