Samstag, 19. Januar 2013

Wenn Verlierer gewinnen


Heute mal ein Abstecher in die Welt des Sports. Ist sonst nicht so mein Blogding, aber heute muss es sein.

Weil, eigentlich geht es weniger um den Sport selbst als um das Sozialverhalten im Sport, also um die Abteilung, wo's menschlich wird. Oder unmenschlich, je nachdem. Statt von 'unmenschlichem' ließe sich auch von 'unsportlichem' Sozialverhalten sprechen. Von unsportlichem Sozialverhalten kann wahrscheinlich fast jeder Sportler ein Lied singen, jedenfalls dann, wenn er es bis nach oben geschafft und seine sportlichen Siege nicht zuletzt seinem unsportlichen Sozialverhalten verdankt hat: halt so Gewinnertypen, deren Weg von Leichen gepflastert ist. Kennt man ja. Nicht nur aus der Welt des Sports.

Einer dieser Gewinnertypen heißt Lance Armstrong. Der gab neulich (anlässlich eines als Ja-ich-habe-gedopt-Geständnis-Fernsehinterview getarnten PR-Coups) tiefe Einblicke in sein gewohnheitsmäßig unsportliches Sozialverhalten:
Was jedoch interessant war (in dem Interview), war folgendes: Armstrong erweckte nicht den Eindruck, dass die Tatsache, ein selbstgerechtes Arschloch zu sein, etwas ist, weswegen er ein schlechtes Gewissen haben oder sich gar entschuldigen sollte. Er sah die Sache ganz nüchtern. (Nämlich, "Oh, keine Frage, ich war ein Riesenarschloch. Ich wollte gewinnen, koste es, was es wolle, und habe mich nicht darum geschert, wie ich andere Leute behandelt habe. Nächste Frage?" (Business Insider)
Eben. Wer auf der Gewinnerspur ist und groß rauskommen will, darf sich nicht mit gefühlig-menschelnden Petitessen aufhalten. Mit anderen Worten: Vor die Alternative gestellt, einerseits, zu gewinnen und darüber zum unsportlichen Arschloch zu werden oder, andererseits, nicht zu gewinnen, aber dafür ein anständiger Mensch zu sein, hat Armstrong sich bewusst entschieden zu gewinnen und darüber zum unsportlichen Arschloch zu werden. Vermutlich ist Armstrong darin vielen Menschen (nicht nur Sportlern) - vor dieselbe Alternative gestellt - ein leuchtendes Vorbild.

Aber nicht allen Menschen. Auch nicht allen Sportlern. Es gibt welche, die entscheiden sich für sportliches Sozialverhalten und werden darüber zum Verlierer. Von denen hört man wenig - wen interessieren schon Verlierer? -, es sei denn, man stolpert eher zufällig über sie, zum Beispiel durch eine Story bei El Pais (Link via Felix Salmon) mit der Überschrift
Die Ehrlichkeit des Langstreckenläufers
Ist Gewinnen das einzige, was zählt? Bist du dir dessen wirklich sicher?
Was folgt, ist die Geschichte des spanischen Athleten Iván Fernández Anaya: Der lief, als Zweiter, bei einem 3.000-Meter-Hindernisrennen hinter dem mit Abstand führenden kenianischen Läufer Abel Mutai. Als sich beide der Ziellinie näherten, bemerkte Anaya, dass Mutai - der sichere Gewinner des Rennens - zehn Meter vor dem Endspurt sein Tempo verlangsamte, weil er irrtümlicherweise dachte, er habe die Ziellinie bereits überschritten. Der spanische Läufer holte schnell auf; jedoch nicht etwa, um das Versehen von Mutai zu seinen Gunsten auszunutzen - vielmehr erkannte er dessen Irrtum, blieb dicht hinter ihm, gestikulierte von dort den kenianischen Läufer weiter voran in Richtung Zielline und ließ ihn als Ersten ins Ziel einlaufen.
"Ich habe es nicht verdient zu gewinnen", sagt der 24-jährige Fernández Anaya. "Ich tat, was ich zu tun hatte. Er war der verdiente Gewinner, denn er hatte einen Abstand zwischen uns beiden geschaffen, den ich niemals hätte verringern können, wäre ihm nicht dieser Fehler unterlaufen. Sobald ich sah, wie er abbremste, war mir klar, dass ich ihn nicht überholen würde."
Mit anderen Worten: Anaya entschied sich bewusst zu verlieren, aber dafür ein anständiger Mensch zu sein. Schön blöd, werden sich jetzt die Gewinnertypen denken, wie kann jemand eine so einmalige Gelegenheit nicht beim Schopf packen, den unliebsamen Konkurrenten abhängen und im Hochgefühl des "Gewinnens, koste es, was es wolle" das Siegerpodest erklimmen?

Der spanische Sportler ist anderer Meinung:
"Ich glaube, indem ich das tat, was ich getan habe, habe ich mir einen besseren Namen gemacht als wenn ich gewonnen hätte. Und das ist mir von großer Bedeutung, denn so wie die Dinge heutzutage stehen - überall, im Fußball, in der Gesellschaft, in der Politik, wo alles erlaubt zu sein scheint -, kommt eine Geste der Ehrlichkeit in der Öffentlichkeit gut an."
Finde ich ein bemerkenswertes Statement und würde es gern überschreiben mit 'Die Ehrlichkeit des Verlierers'. Obwohl, am Ende hat der spanische Läufer sogar etwas gewonnen, nämlich die Selbstachtung als Mensch, der sich einem unsportlichen Verhalten verweigert hat? Jedenfalls hat er sich klar entschieden. So wie andere sich entscheiden, ein Arschloch zu werden. Nicht nur im Sport. Nächste Frage? Keine mehr.

2 Kommentare:

  1. wenn er Ihn überholt hätte wäre er ein Riesenarschloch bei allen angeschlossenen Medienberichterstattern geworden ergo hätte Ihn die Sportwelt geächtet. War das beste was er machen konnte. manchmal ist der 2. dann doch der bessere Sportler................

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