Donnerstag, 28. Februar 2013

Shake it off, brother


Ich hätte nie, wirklich NIE gedacht, dass ich jemals ein verdammtes ...

Halt, hatte ich das neulich nicht schon mal? Doch. Bis vor genau drei Wochen hätte ich geschworen, nie und nimmer ein verdammtes Gangnam-Video in dieses Blog zu stellen und habe es dann vor drei Wochen doch getan. Und nicht bereut.

Und jetzt das:

Bis vor genau drei Minuten hätte ich Stein und Bein geschworen, nie und nimmer ein verdammtes Harlem-Shake-Video in dieses Blog zu stellen. Und tue es jetzt doch. Und bereue nichts.

Weil nämlich mittlerweile die renitenten ägyptischen und tunesischen Jugendlichen auf den Geschmack gekommen sind und den albernen Harlem Shake in ein lustiges Instrument des Protests umfunktionieren.

Treffen die sich doch einfach vor dem Hauptquartier der Muslim Brotherhood (also vor einer Art Behörde für die strenge Regulierung des öffentlichen Lebens) in Kairo und fangen an, kreuzfidel abzushaken. Finden die sittenstrengen Brüder überhaupt nicht lustig. Die Jugendlichen schon. Sie wurden von den Muslimbrüdern verwarnt, von wegen Gefahr im Verzug durch öffentliches Tanzen, schließlich "könne Tanz in Gewalttätigkeit ausarten." Vier öffentlich tanzende und darum potentiell gewalttätige Jugendliche wurden vor ein paar Tagen von der ägyptischen Polizei* verhaftet.

Unterdessen proben sie in Tunesien ebenfalls den Shake-Aufstand. Am Samstag taten Jugendliche "es" vor einer Schule in Tunis:



- was postwendend den Minister für Bildung und Erziehung auf den Plan rief mit der Drohung, wer vor der Schule tanze, fliege von der Schule; außerdem werde eine Untersuchung der sich häufenden Harlem-Shake-Zwischenfälle eingeleitet. Was wiederum eine massive Harlem-Shake-Protestbewegung auf den Plan rief: Am morgigen Freitag wird zu einer Harlem-Shake-Tanz-Großveranstaltung aufgerufen, und zwar vor dem Ministerium für Bildung und Erziehung in Tunis.

* Und dann war da noch das:



Ägyptische Polizisten in Kairo tanzen öffentlich den Harlem Shake. Verhaftet wurde meines Wissens noch keiner von ihnen. Verstehen tue ich das alles nur bedingt. Finde es aber sehr lustig.

Mittwoch, 27. Februar 2013

Deutsch, aber peinlich


Langsam wird es peinlich. Das war es zwar schon die ganze Zeit, aber jetzt, wo sie mal eben den Prügelknaben ausgewechselt haben, übersteigt es die Schmerzgrenze und ist kaum mehr zum Aushalten. War es bisher der faule, verantwortungslose Grieche, so muss inzwischen - der Wahlkampf naht, da legen die Deutschen so lustvoll wie zwanghaft noch eine Schippe drauf - der dumme, verantwortungslose Italiener herhalten.

Ein Anschiss jagt den nächsten. Es wird gerüffelt und gekrittelt, streng zurechtgewiesen und missbilligend Mores gelehrt, geschmäht, gedisst und mit Dreck geworfen - kurzum: Die deutschen Politiker samt Mediengefolge sind mal wieder in ihrem urbehaglichen Element, hauen auf die Standpauke und lassen es mit ohrenbetäubendem Gekeife krachen, auf dass den nichtsnutzigen, dummen, verantwortungslosen Südländern Hören und Sehen vergehe. In die Ecke mit euch, ihr Vollidioten jenseits der Alpen!

Die Schlagzeile
Italien weigert sich kindisch, die Realität anzuerkennen 
bringt - außer der Vorliebe der Deutschen für schulmeisterliches Zeigefingerwackeln - auch deren besorgniserregenden Realitätsverlust auf den Punkt. Immerhin scheint Italien das erste Land Europas zu sein, dessen Wahlbürger mit einem unmissverständlichen Vaffanculo zum Ausdruck bringen, dass sie das, was die angeblich alternativlose Realität (Wie, Austerität funktioniert nicht? Das beweist, es war zu wenig! Dann braucht ihr noch mehr davon!) von ihnen abverlangt, für unrealistisch halten. Kindisch? Kindisch ist allenfalls die starrsinnige deutsche Weigerung, die Dysfunktionalität dieser Realität anzuerkennen; und am allerkindischsten dieses trotzige, auftrumpfende Aufstampfen, dieser tobsuchtsanfallartige, reflexhafte Koller des autoritären Anschnauzens aller, die dem teutonischen Diktat sich zu beugen nicht bereit sind.
Die Italiener sind unfähig und unwillig, das tiefe Ausmaß ihrer wirtschaftlichen Misere zu begreifen, wird von deutschen Medienkommentatoren geltend gemacht.
- und die Deutschen brillieren in ihrer Unfähigkeit und ihrem fehlenden Willen zu begreifen, dass die Rechnung mit der Zwangsjacke 'Austerität auf Teufel komm raus' nicht aufgeht, obwohl es immer mehr Spatzen von den Dächern pfeifen. Die Rechnung - weiß der führende deutsche Medienkommentator -  geht natürlich nur deshalb nicht auf, weil die unfähigen, dummen Italiener den Spielverderber geben, weshalb das besagte Medium bereits gestern die bange Frage stellte:
"Machen sie jetzt unseren Euro kaputt?" 
Mal abgesehen davon, dass es immer wieder bereichernd sein kann, über das alte Thema Macht kaputt, was euch kaputt macht zu reflektieren, dürfte der chauvinistische Gebrauch des Pronomens "unseren" (vor "Euro") aus deutschem Mund bei den dummen Italienern so richtig gut ankommen und den vielbeschworenen europäischen Zusammenhalt auf eine weitere harte Probe stellen.

Man könnte das kollektive, dem Griechen-Mobbing auf dem Fuße folgende Italiener-Bashing auch einfach ignorieren, wenn es nur nicht so entsetzlich peinlich wäre. Und immer peinlicher wird es, weil es immer pathologischere Züge annimmt. Weil die notorisch deutsche Lust an der Strafpredigt, am Abkanzeln, Abwerten und Diffamieren der widerborstigen Südeuropäer nicht zuletzt auf schwere uneingestandene Störungen im deutschen Selbstbild hinweist. Weil - so viel Psychologie muss sein - hinter diesem schlecht inszenierten operettigen Donnerwetter, hinter jeder dieser selbstgerechten Hetztiraden ein kümmerliches, verkümmertes Selbstwertgefühl lauert, das sich mit so hochfahrender wie herablassender Rhetorik aufpumpt und zu seiner notdürftigen Stabilisierung des verbalen lynch mobs bedarf.

Und weil das alles irgendwie, irgendwann schon mal dagewesen ist.
Peinlichkeit, nimm deinen Lauf.

Dienstag, 26. Februar 2013

Her mit den Clowns




Isn't it bliss?
Don't you approve?
One who keeps tearing around,
One who can't move.
Where are the clowns?
Send in the clowns.

Don't you love farce?
My fault, I fear.
I thought that you'd want what I want -
Sorry, my dear.
But where are the clowns?
There ought to be clowns.
Quick, send in the clowns.

Don't bother - they're here.

Samstag, 23. Februar 2013

Nervöse Zuckungen an den Märkten


Die internationale Finanzwelt zittert. Die Märkte beben vor Schrecken. Der Untergang ist nahe:
"Ich habe die furchterregendste Grafik in Europa gesehen."
Die furchterregendste Grafik in Europa? Sollte das Unwahrscheinlichste alles Unwahrscheinlichen geschehen sein, hat etwa die Finanzwelt die furchterregenden Grafiken zur Arbeitslosigkeit in Südeuropa zur Kenntnis genommen? Und ist darüber zu Tode erschrocken? Mehr noch, fühlt sich einer "ernsten Bedrohung" ausgesetzt?


Ach was. Seit wann interessiert sich die Finanzwelt für Arbeitslosigkeit? Eben. Es muss also etwas viel Schlimmeres, Beunruhigenderes sein, was die Finanzleute dieser Welt aufwühlt und in Angst und Schrecken versetzt. Nämlich dies:


Dieses Wochenende wird in Italien gewählt. Richtig gelesen: gewählt, und nicht etwa dem Land ungefragt eine der Finanzfachkräfte dieser Welt (Mario Monti) von EU's Gnaden als Ministerpräsident übergestülpt. Es wird also gewählt - wo es sich doch bereits bei einer demokratischen Wahl um eine den Finanzmärkten höchst suspekte Veranstaltung handelt -, doch damit nicht genug: Was, wenn die Italiener einfach das wählen, was sie für richtig halten? Undenkbar! Katastrophe! Untergang!

Was die Finanzwelt bis ins Mark erschüttert und rot sehen lässt, ist die blaue Linie: Beppe Grillos Movimento 5 Stelle.
"Grillo ist ein zum Politiker gewandelter Kabarettist mit schockierend guten Chancen bei den italienischen Wahlen..."
- ein Ex-Kabarettist, der zum Politiker mutiert ist - da kann es einen Finanzler mit straightem Blick aufs Weltgeschehen natürlich nur grausen, aber dann kommt er, der Hammer, der eigentliche, schockierende, furchterregende:
"... mit einem aggressiven Anti-Banken-, euroskeptischen Wahlprogramm."
- weshalb der frühere Kabarettist Grillo eine "ernste Bedrohung" darstelle. Für wen oder was stellt er eine ernste Bedrohung dar?
"... für die aktuellen Reformbemühungen (die von Brüssel anerkannte - wohlgemerkt, nicht gewählte! - Regierung ist eifrig bemüht, die Wirtschaft zu liberalisieren, das Defizit zu reduzieren, den Arbeitsmarkt zu reformieren und so weiter). Die Finanzmärkte haben diese Bemühungen über die letzten Jahre geliebt, selbst wenn die Öffentlichkeit und die Realwirtschaft diese Liebe nicht teilten."
- und jetzt steigt und steigt dieser dahergelaufene aggressive Anti-Banken-Ex-Comedian Grillo in der Wählergunst und droht alles zunichte zu machen, was von der Finanzwelt in liebevoller Detailarbeit aufgebaut wurde. Schon bitter. Und furchterregend. Ich persönlich finde es zwar weitaus furchterregender, wenn eine handverlesene Finanzmarionette einfach so von oben den Italienern aufs Auge gedrückt wird; jedoch, der Finanzwelt klappern vor Angst die Knochen, weil dieser komische amateurhafte Kauz namens Grillo immer mehr "Kapital" ("capitalizing")schlägt
"... aus der tiefen Frustration, die in Italien existiert, wegen der schwachen Wirtschaft und infolge der Wahrnehmung, die derzeitige Regierung sei viel zu korrupt und mauschele mit dem Bankensektor."
- und das, wo doch die Finanzprofis dieser Welt die ausgewiesenen Experten fürs Kapitalisieren von allem möglichem sind, gern auch fürs Kapitalisieren von Korruption "und so weiter".

Tja, Jungs mit den schwachen Nerven, da hilft nur Abwarten bis Montagabend (Schließung der Wahllokale). Wenn ich euch etwas von Herzen gönne, dann ein bisschen Adrenalinausstoß wegen eines Politikers, der sich weigert, nach eurer Pfeife zu tanzen. Weil, ihr gönnt euch ja sonst nichts. Nicht einmal die Spur von Nervosität darüber, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Italien unter eurer Finanz-Hofschranze Monti auf satte 37 Prozent gestiegen ist.
Schönes Wochenende.

Von grauen Mäusen und braunen Schlangen


Heute: Die Sendung mit der Maus.

Weil, über irgendwas muss man ja schließlich lachen, auch wenn es einem pausenlos vergeht. Also lachen wir heute über Mäuse, getreu dem Motto: Je mehr Mäuse, desto mehr gibt es zu lachen. Und nein, wir gehen zum Lachen nicht nach unten, also in den Keller, obwohl dort unten ziemlich viele Mäuse zugange sind, sondern schauen nach oben, also in den Himmel, aus dem zwar keine guten Witze fallen, aber dafür Mäuse. Echt jetzt! Von dort oben fallen so viele Mäuse runter, dass man problemlos bis an sein Lebensende lachen könnte, falls man sich an keiner herunterfallenden Maus verschluckt und vorzeitig totgelacht hat.

Es fallen nämlich Millionen und Abermillionen von Mäusen vom Himmel. Um genau zu sein: Sie fallen nicht wirklich, vielmehr schweben sie vom Himmel hoch an klitzekleinen niedlichen Fallschirmen nach unten. Nein, ich spinne nicht. Doch, Millionen von Mäusen wird demnächst je ein Fallschirm um den befellten Leib gebunden und sie, die Mäuse, auf das irdische Leben hier unten auf Erden losgelassen werden, auf dass alles, was auf Erden kreucht und fleucht, sich an schwebenden Mäusen satt essen kann.


Wie, neuer Fleischskandal? Quatsch. Es fliegen ja (noch) keine Lasagnepäckchen an Fallschirmen vom Himmel runter, und die fliegenden Mäuse sind auch (noch) nicht für den menschlichen Verzehr gedacht. Sondern nur für das, was kreucht, und das sind nun mal in erster Linie Schlangen, die sich gern von Mäusen ernähren; namentlich die auf der (als Luftwaffenstützpunkt genutzten) US-Pazifik-Insel Guam beheimatete Braune Nachtbaumnatter.
Tote Mäuse werden auf Guam aus Hubschraubern fallengelassen
- um der Braunen Nachtbaumnatter den Garaus zu machen. Weil nämlich die Nachtbaumnatter alles frisst, was nicht bis drei auf den Bäumen ist, und selbst das flinke Vogelgetier, was es bis drei auf die Bäume geschafft hat, wird von der maßlos gefräßigen Natter quasi im Fluge vertilgt, weil es nämlich die Nachtbaumnatter ruck-zuck bis drei auf die Bäume schafft, weshalb sie auch Brown Tree Snake (Braune Baumschlange) genannt und von der amerikanischen Regierung als mittelschwer bedrohlicher Terrorist eingestuft wird: Immerhin gibt es mittlerweile keinen einzigen Vogel mehr auf der Insel Guam, dafür über zwei Millionen Braune Nachtbaumnattern.
Die US-Regierung plant, vergiftete Mäuse per Fallschirm abzuwerfen, um die Schlangeninvasion zu bekämpfen
Vergiftete tote Mäuse per Fallschirm aus Hubschraubern? Ja freilich, die amerikanische Luftwaffe hat es einfach drauf - ohne ausgefeilte Logistik keine effiziente Terroristenbekämpfung. Das macht, hochgerechnet, bei mehr als zwei Millionen Nattern mindestens vier Millionen Fallschirmjäger-Mäuse, für den Fall, dass ein paar vergiftete Mäusegeschwader danebenfliegen und von hungrigen Katzen gefressen werden (für den Fall, dass auf Guam die Katzen nicht längst von den Nattern gefressen worden sind) oder die verfressene Natter beim ersten Happen noch nicht tot umfällt. Beim heiligen Natterngezücht, vier Millionen Mäuse segeln an Fallschirmen durch die Lüfte! Muss man sich mal vorstellen.

Wieso eigentlich an Fallschirmen? Könnte die Luftwaffe nicht einfach gezielt ein paar Dutzend Mega-Mäuse-Streubomben über die Bäume fallen lassen? Kann sie nicht. Weil, die Nachtbaumnatter ist zwar böse, aber erstens nicht blöd und zweitens liebt sie Frischfleisch. Am liebsten lebendige Mäuse. Nur, wie soll die Luftwaffe lebendige Mäuse vergiften und trotzdem am Leben lassen? Geht ja auch nicht. Also muss die Sendung mit der frisch vergifteten Maus (pro Maus 80 Milligramm Acetaminophen bzw. Paracetamol) quasi noch warm an einen Fallschirm gebunden werden, damit die Fallschirmstricke sich in den Bäumen verheddern, die tote Maus keinen Faden abbeißt und die Natter denkt: Praktisch, ein frisches Mäusefrühstück direkt vor meiner Nase. Ist nämlich die tote Maus erst mal ins Gras statt ins Laub gefallen und gammelt unfrisch vor sich hin, vergeht der Braunen Nachtbaumnatter der Appetit und alles war umsonst.

Unklar ist bislang, in welchen US-Produktionsstätten die vier Millionen maßgeschneiderten Mäuse-Mini-Fallschirme hergestellt werden. Insider tippen auf amerikanische Privatgefängnisse, die sich als Billigstlohnbetriebe längst einen Namen gemacht haben.

Auch fehlen verlässliche Informationen über die weitere zweckmäßige Verwendung von gut zwei Millionen vergiftetem Schlangenfleisch. Allerdings wird - hinter vorgehaltener Hand - in Insiderkreisen der fleischverarbeitenden Industrie mit Hochdruck an einer innovativen Rezeptur für ein neuartiges Fertiggericht gearbeitet. Gerüchten zufolge soll es sich um eine Art Bio-Schlangenlasagne handeln, verfeinert mit einem Schuss (80 Milligramm pro Portion) Paracetamol zur schmerzfreien Akzeptanz seitens der Verbraucher. Vorläufiger Produktname: Schlangenfraß 'Guam-Style'.

Mittwoch, 20. Februar 2013

Hosen runter


Wie, dir wurde das letzte Hemd bereits ausgezogen? Ist dem Austeritätswahn doch egal. Dann geht er dir halt an die Unterwäsche.

Generalstreik in Kalamata, Griechenland:


"Wollt ihr uns die auch noch ausziehen?"

Montag, 18. Februar 2013

Globalisiertes Gelächter


Echte Globalisierung ist, wenn chinesische Medien über die schlechte Behandlung von Wander- und Saisonarbeitern in Deutschland ("Foxconn in Bad Hersfeld") berichten, nachdem in deutschen Medien kein gutes Haar an der schlechten Behandlung von Wander- und Saisonarbeitern in China (Foxconn, das Original) gelassen wurde.

Echte Ironie ist, wenn ein deutscher Kommentator es ironisch findet, ausgerechnet in chinesischen Medien über die schlechte Behandlung von Wander- und Saisonarbeitern in Deutschland lesen zu müssen.

Echter Humor ist, wenn ein chinesischer Kommentator sich über den deutschen Kommentator totlacht.

Echt zum Davonlaufen wird's, wenn alles so weiterläuft und uns demnächst, global gesehen, das Lachen vergehen wird.

Freitag, 15. Februar 2013

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser


Uff, geschafft! Die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland hat die 60-Prozentmarke geknackt. Mit rekordverdächtigen 61,7 Prozent! Aber da geht bestimmt noch was:
... angesichts der nachhaltigen Rezession, die laut den vorläufigen Daten der ELSTAT das griechische BIP im letzten Quartal 2012 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum 2011 um weitere 6 % schrumpfen ließ, kann dieser neue Höchststand der Arbeitslosigkeit jedoch keinesfalls als das "Ende der Fahnenstange" bezeichnet werden.
Doch, da geht noch was. Wäre ja gelacht. Mindestens 38,2 Prozent gehen da noch. "Wir" sind nämlich auf einem guten Weg. "Wir" sind Leute vom Schlage eines Olli Rehn, Vizepräsident der Europäischen Kommission. Der Mann mit dem putzigen Vornamen lehnte eine Neuverhandlung der griechischen Austeritäts-Zwangsjacke ab, nachdem der Zwangsjackenspzialist IMF offiziell eingestanden hatte, die verordnete Zwangsjacke falsch kalkuliert, weil mit den falschen fiskalischen Multiplikatoren berechnet zu haben.


Neuverhandlungen, nur weil der IMF mit seinem Rechenschieber ins fiskalische Klo gegriffen und ein Land, eine Gesellschaft, eine Bevölkerung in den Abgrund getrieben hat? Wäre ja gelacht, kann Olli Rehn dazu nur sagen. Weil, so ein popliger Rechenfehler kann schließlich jedem mal unterlaufen, das muss doch nicht gleich auf die Goldwaage gelegt werden, nicht wahr?

Rechenfehler? Yanis Varoufakis sieht das anders. Der griechische Ökonom - sonst ein Musterbeispiel an Diplomatie und höflichem Umgangston selbst auf kontroversem Volkswirte-Parkett - verlor die Contenance und fuhr bemerkenswert aus der Haut:
"Dieser Fehler wurde vorsätzlich begangen. Das war kein buchhaltungstechnischer Irrtum des IMF, das war eine politische Entscheidung. Sie haben die Ökonomen gezwungen zu lügen. Dieser unbedarfte, feige Unterknecht will den Irrtum nicht eingestehen, denn andernfalls wäre ein sofortiger riesiger Schuldenschnitt in Griechenland fällig."
Unterknecht ("understrapper"), starker Tobak, wie ist das gemeint?
So ist das gemeint:
"Als ein drittklassiger Unterknecht nimmt er (Rehn) seine Befehle entgegen und ist verpflichtet, den Fehler des IMF zu leugnen. Und er leugnet ihn."
Zum Leugnen gehört zu behaupten, dass "wir" auf einem guten Weg seien. Also, die Griechen. Na ja, so ein Wort wie "die Griechen" würde ein hartgesottener Unterknecht niemals in den Mund nehmen; denn seit wann spielen in den Berechnungen eines Unterknechtes solche Faktoren wie "die Menschen" eine Rolle?


Olli Rehn zieht den inflationären Gebrauch des Begriffes "Vertrauen" vor und wird dafür von Leonidas Chrysanthopoulos aufgespießt und mit deutlichen Worten auf den Grill gelegt.

In einem offenen Brief an den Unterknecht, hm, Vizepräsidenten der Europäischen Kommission geißelt Chrysanthopoulos diesen wegen seines konsequent menschen-vernachlässigenden Brüsseler Technokraten-Kauderwelsch:
"In Ihrem Brief an die ECOFIN erwähnen sie häufig das Wort Vertrauen, Rückkehr des Vertrauens, Aushöhlung des Vertrauens, Unterstützung von Vertrauen etc. Ja, aber wessen Vertrauen? Die EU hat das Vertrauen der Menschen verloren. Das Vertrauen der Märkte bleibt erhalten? Kein einziges Mal wird das Wort "Menschen" erwähnt. Alles, was Sie erwähnen, sind prozentuale Anteile am Bruttoinlandsprodukt, aber wir sind keine prozentualen Anteile am Bruttoinlandsprodukt, wir sind Menschen."
Mit "Menschen", von Mitmenschen ganz zu schweigen, stehen Unterknechte professionell auf dem Kriegsfuß.


Die griechische Unterknechts-Regierung macht dies fast täglich aufs neue unmissverständlich klar. Ihr neuester Coup:
Zensur in Griechenland: Die "verbotene" Nachricht
Seit einigen Tagen ist es in Griechenland gegen Androhung von Strafe verboten, im Fernsehen Bilder von verwahrlosten Bürgern zu zeigen. Der Medienaufsicht gemäß sollen es die Sender unterlassen, die Krisenfolgen anhand personifizierter Beispiele zu präsentieren. Dass dadurch für Medienkonsumenten ein real nicht existierendes Paralleluniversum, in dem lediglich die Parolen der Regierung vom angeblich nahenden Wirtschaftswachstum geschaffen wird, scheint dem Rundfunkrat nicht nur egal zu sein, sondern das dürfte eher beabsichtigt sein.
Aus den Augen, aus dem Sinn. Über das explosionsartig grassierende menschliche Elend im öffentlichen Raum Griechenlands wurde ein Bilderverbot verhängt - eine, in der typischen Denke eines Unterknechtes, vermutlich "vertrauens"bildende Maßnahme. Der griechische Fotograf, von dem die hier gezeigten Bilder menschlichen Elends stammen, möchte lieber namentlich nicht genannt werden, "aus Angst, dass ihm etwas passieren könnte". So viel Vertrauen war selten.


Mittwoch, 13. Februar 2013

Box-Kampf


Heute komme ich aber auch aus dem Wiehern nicht heraus:

Outside the box

Was für ein Film läuft da ab? Ein ganz lustiger über zwei ambitionierte Über-den-Tellerrand-Gucker. Sagte ich lustig? Falsch. Sehr, sehr lustig.

Outside the Box from Sherbet on Vimeo.
gefunden bei The Reformed Broker

Neues vom Lasagneflüsterer


Allgemein bekannt ist jene etwas altmodische umgangssprachliche Redewendung - gern laut ausgerufen im Zustand überwältigten Staunens - mit dem Hund, der sich in einer Pfanne aufhält und dort plemplem wird.

Wir dagegen sind modern und wiehern laut:
Ja, da wird doch das Pferd in der Lasagne verrückt!
- beim Studium dieser "Infografik" zum Thema "horsegate supply chain" (= die Versorgungskette zum Pferdefleischskandal):


"horsegate supply chain"

- sowie, durchaus passend, des momentanen Status der horsegate-Krisen-PR:
"Wir sind Opfer einer internationalen kriminellen Verschwörung!" 
- gern mit eindringlich beteuernder Stimme und in gebetsmühlenartiger Wiederholungsschleife vorgetragen. Wenn ich die wäre, wäre ich mit so etwas vorsichtig. Weil, wenn die so weitermachen, kann ich mir gut vorstellen, dass die irgendwann demnächst mal unter ihrer Bettdecke eine gefrorene Pferdelasagne (ab min 2:00) finden. Vielleicht sogar eine aufgetaute. Man weiß nie.

Montag, 11. Februar 2013

Pferdespuren


Heute schon vom Pferd getreten worden? Nein? Ich schon.

Seit heute früh nämlich, als sich auch in Deutschland die appetitlichen Nachrichten von Pferdelasagne und Pferdeburgern überschlugen, also seit heute früh dachte ich in einer Tour, wie vom Pferd getreten: Da war doch mal was, irgendwas war da mal, vor langer Zeit, was war das bloß? Ich kam nicht drauf. Es war irgend etwas, was ich einmal in einem Buch gelesen hatte. Einem Buch über Deutschland in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber ich kam nicht drauf, weder auf den Buchtitel noch auf den Autor noch auf das, was ich da gelesen hatte. Nur dass es irgend etwas mit Pferden zu tun hatte, das wusste ich noch. Und zwar sowohl mit lebenden als auch toten Pferden sowie mit dem Verzehr von Pferdefleisch. Der Rest war Blackout.

Derweil nahm der neueste Akt in der langen Dramenreihe von versautem Austerity-Fleisch seinen Lauf, heute unter der Überschrift: Lasst sie doch Pferde fressen. In gut einstudiertem, daher routinemäßig bagatellisierendem Krisenkommunikationsstil wurde allseits palavert von "Spuren von Pferde-DNA", die sich in "einigen" Fertiggerichten gefunden hätten; dies zu einem Zeitpunkt, als die Spurensicherung bereits so weit fortgeschritten war, dass der tierischen Füllmasse einer Tiefkühllasagne eines namhaften Schweizer Lebensmittelkonzerns offiziell bescheinigt wurde, zu mindestens 60 bis maximal 100 Prozent aus Pferdehack zu bestehen; fast so, als ob sie dort in der Schweiz einem ungeschriebenen Reinheitsgebot (Pferd statt Rind) folgten und halt nur vergessen hatten, dieses zu deklarieren. Kann ja mal passieren.

Nachdem die wohlfeile DNA-Spurenelement-Theorie nicht mehr aufrechtzuerhalten war, jedenfalls nicht glaubwürdig, begann die gesamte fleischproduzierende, -transportierende und -verkaufende, EU-weit vernetzt operierende Connection mit der "Suche nach den Verantwortlichen", sprich: sich als Opfer illegaler Machenschaften, Schmuggelbanden und fleischgewordener Verschwörungen zu inszenieren. Drama queen, dein Name sei Fleischindustrie! Pferdefleisch sei illegal in die Schlachthäuser geschmuggelt worden! Bösartige, mensch- wie tierverachtende Kriminelle hätten Lücken in der - normalerweise, wir schwören es! - lückenlosen Versorgungskette ausgenutzt und ein wildes Rudel Pferde unbemerkt durchschlüpfen lassen, so dass am Ende irgendwie ein paar Hottemaxe quasi undercover durch den Fleischwolf galoppiert wären; versehentlich natürlich, was denn sonst!

Überhaupt, hinter so viel organisiertem Pferd-statt-Kuh-Kriminal könne nur eine abgefeimte bitterböse Mafia stecken - also sprach die Fleischindustrie. Wie jetzt, Mafia?
Es (das getürkte Rindfleisch) kam von Schlachtereien in Rumänien, vermittelt durch einen Händler in Zypern, weitervermittelt durch einen weiteren Händler in Holland, bis zu einer Fleischfabrik im Süden Frankreich, die es (das Fleisch) weiterverkaufte an eine französische Fabrik in Luxemburg, die daraus wiederum gefrorene Fertiggerichte herstellte und diese an Supermärkte in 16 Ländern verkaufte.
Ach so, so läuft das in der gut organisierten kriminellen Fleischmafia? Nein, so läuft das auf den ganz normalen, ganz legalen Routen der gut organisierten Fleischindustrie, die womöglich mit ihrem quengeligen Schuldmantra "Die Mafia war's!" näher an der Wahrheit dran ist als ihr lieb sein kann.

Wie gut, dass es in dem ganzen Sündenbock-Schlamassel die Osteuropäer gibt. Was täte die Fleischindustrie ohne die g'schlamperten Rumänen? Was täten die Deutschen ohne die faulen Griechen? Also lässt sich, gottlob und voller Überzeugung, sagen:
Der Pferdefleischskandal führt nach Rumänien. 
Da haben wir's: Eine heiße Pferde-DNA-Spur führt nach Rumänien. Wir waschen unsere Hände in Unschuld - Rumänien war's. Als Prügelknabe und Blitzableiter ist Rumänien immer gut.

Wieso gerade Rumänien? Ist doch klar: Weil die Rumänen vor ein paar Jahren - um europäischen Standards zu genügen - mit einer jahrhundertealten Transportform gebrochen und von Pferden gezogene Karren aus dem Straßenverkehr gebannt haben. Ja, und irgendwo mussten die Rumänen ja hin mit ihren alten Kleppern, und deshalb sind die Rumänen an allem schuld. Und nicht etwa - nur als Beispiel - die Briten, die jetzt an der Pferdelasagne würgen und deren Regierung, austerity-geil wie sie ist, die Gelder für Lebensmittelsicherheit und -überwachung rigoros zusammengekürzt und damit dokumentiert hat, dass es ihr völlig wurscht ist, was ihre Bürger in sich hineinstopfen, auch wenn sie jetzt Zeter und Mordio und Rumänien an den Pranger schreit.

Wobei noch gar nicht raus ist, ob das Pferdehack in der Lasagne tatsächlich von ausgemusterten rumänischen Kleppern stammt oder nicht vielleicht von hochgezüchteten englischen Rennpferden, die ja auch irgendwann profitabel entsorgt werden müssen, wenn sie, bis zur Mähne zugedopet mit entzündungshemmenden Medikamenten, einfach nicht mehr können und zusammenbrechen. Aber keine Panik, die Pferdedroge Phenylbutazone ("Bute", hochgiftig für das menschliche Nervensystem) wurde bislang nur in einigen Pferdefleisch-Fertiggerichten und auch dort nur in - na? genau: - "verschwindend geringen Spuren" entdeckt, so niedrig dosiert, dass sie "keinesfalls" ein Erkrankungsrisiko für den Menschen darstellten. Schließlich hat noch kein Lasagnekonsument hysterisch zu wiehern angefangen, also alles im grünen Bereich, noch. Findet übrigens auch die EU-Kommission:
Pferdefleischskandal kein Grund für Handelshemmnisse
Die EU-Kommission ruft im Pferdefleischskandal zur Ordnung. Ohne Risiken für den Verbraucher seien Handelsverbote fehl am Platz.
- lese ich in einer Agrarfachzeitschrift und lehne mich beruhigt zurück, kann mir allerdings ein leichtes Wiehern nicht verkneifen, obwohl ich keine Spur von Lasagne zu mir genommen habe.

Übrigens gibt es bereits neue Verdachtsmomente: dass nämlich der Pferdefleischskandal gar keiner ist, sondern etwas viel Schlimmeres. Die - na? richtig: - "Spur" führt schon wieder nach - na? eben: - Rumänien. Weil, angeblich sollen dort früher die Straßenkarren nicht nur von Pferden, sondern auch von Eseln gezogen worden sein, und irgendwo mussten die Rumänen ja hin mit ihren alten Eseln, was sie (die Rumänen) unter Generalverdacht bringt, dass sie in Wirklichkeit getürktes Pferde-, also Eselsfleisch auf den Markt brächten:
Bei dem in britischen Supermärkten gefundenen Pferdefleisch könnte es sich auch um Esel aus Rumänien handeln.
- mutmaßt vorwurfsvoll ein namhafter französischer Fleischindustrieller und Schuldzuschreibungs-Spezialist, während er sich die Hände gründlich in Unschuld wäscht. Immer diese liederlichen Rumänen! Erzählen einen vom Pferd und verticken Esel - wo soll das noch hinführen in einer Branche, die unermüdlich auf der Suche ist nach profitabler, noch profitablerer, der allerprofitabelsten Protein-Spachtelmasse für ihre Produkte?

Pferde statt Kühe,
Esel statt Pferde,
Katzen statt Esel,
Katzenfutter statt Katzen,
Ratten statt Katzenfutter,

- doch, da geht noch was -

Rattengift statt Ratten.

Und damit zurück zum Thema Pferd. Inzwischen habe ich meinen Hänger überwunden und den seit heute früh gesuchten Text gefunden:
Frau Eisenmenger schrieb, "die riesigen Mengen Arbeitsloser, aufgestachelt von den Kommunisten, kochen über vor Unzufriedenheit ... ein Mob hat versucht, das Parlamentsgebäude in Brand zu setzen. Berittene Polizisten wurden von ihren Pferden heruntergerissen, die (Pferde) wurden mitten auf der Ringstraße geschlachtet und das warme, blutende Fleisch von der Menschenmenge fortgeschleppt ... lautstark verlangten die Protestierer nach Brot und Arbeit."
aus:
When Money Dies: The Nightmare of the Weimar Collapse
von Adam Fergusson

Sonntag, 10. Februar 2013

Hinterm Horizont die Pizza


Mit dem Multitasking ist das so eine Sache. Nämlich keine. Die praktisch veranlagten Schwaben haben dies bereits vor langer Zeit erkannt:
I ka it Kraut hacka, scheißa ond gleichzeitig em Pfarrer d'Hand gäba. 
Äba drom erweist es sich als völlig sinnlos, wenn ich mir einbilde, parallel zum Pizzabacken im Internet ein bisschen kreuz und quer zu lesen würde meinen Horizont erweitern. Gut, die Pizza backt von allein, da lässt sich nebenher ein bisschen was für den Horizont tun, aber halt nur ein bisschen, nämlich genau so lange, bis der Horizont beim Lesen sich zu verdüstern und es aus dem Backofen komisch zu riechen beginnt.

Dieser Punkt ist erreicht, wenn die Pizzabeauftragte - minutenlang und ungläubig staunend - jene Erkenntnis zur Kenntnis nimmt, die ein sogenannter "Sonderbeauftragter der SPD für Griechenland" den krisengeschüttelten Griechen ans Herz legt, um ihnen mit wärmsten Empfehlungen den Weg aus der wirtschaftlichen Patsche zu weisen:
"Ihr müsst Maßnahmen für klarere Strukturen ergreifen. Die Gewerkschaften in Deutschland wirkten mit, als es nötig wurde, dass Reformen und Opfer erfolgen. Das fehlt in Griechenland."
Das hat gerade noch gefehlt: deutsches Erfolgsrezept, das siebenhundertdreiundachzigste, bereit zum Export. Da staunt der Grieche und die Pizza wölbt sich. Die Nasenflügel beben, der Magen knurrt und verlangt nach klaren Strukturen, und wieder mal bestätigt sich der kluge Aphorismus, wonach eine nur leicht verkohlte Pizza im Bauch besser ist als ein schwer horizontales Brett vor dem Kopf der SPD.

Mangiare. Kommen essen. Aber pronto.


Samstag, 9. Februar 2013

Geh' zum Doktor


Alle Jahre wieder schleudert es mich in die musikalische Vollkrise. Nämlich dann, wenn der saisonale Stumpfsinn sein hässliches Haupt erhebt, wenn Geschichte und Gegenwart mich lehren, dass in Deutschlands Straßen und Herzen nichts so fett rüberkommt wie ein inbrünstig mitgeklatschter Marschrhythmus und alle Hände anfangen, in kollektiver Begeisterung stramm zu marschieren, als gäbe es kein Morgen und ein Gestern gab es sowieso nie.

Dann ergreift eine durch und durch unpatriotische Übellaunigkeit von mir Besitz - 'fremd im eigenen Land' umschreibt meinen desolaten Zustand nur notdürftig -, die mich zwingt, geschlossene Räume aufzusuchen, Türen und Fenster zu verrammeln und, gierig wie ein Junkie auf Entzug, nach einer Alternativdröhnung beseelter Stimmungsmusik zu lechzen, die die Füße endlich zum Lächeln statt zum Stampfen bringt.

Vermutlich bin ich, irgendwie, entartet.

Dr. John feiert Mardi Gras mit Iko Iko.
Gimme some soul, brother.



Freitag, 8. Februar 2013

Killer-Academy goes Greek


Lange nichts gehört von Blackwater, dem privaten Killerunternehmen eines gewissen George W. Bush, Einsatz im Kriegsgebiet Irak, gegründet von einem tief religiösen Rechtsaußen-Fanatiker.



Lange nichts gehört. Das liegt zum einen daran, dass sich Blackwater inzwischen den vertrauensbildenden, nach solider Intellektualität riechenden Namen "Academi" zu gelegt hat; sozusagen eine Akademie zum Training international disponibler Berufskiller überall dort, wo Polizei und Militär der wachsenden sozialen Unruhen nicht mehr Herr zu werden drohen.

Wieso soziale Unruhen? War Blackwater bislang mit seiner Mission als verlängerter Arm des Militärs nicht ausschließlich in Kriegsgebieten unterwegs? Ganz recht - war. Jedoch, die Bedrohungslagen haben sich verschärft. Zumindest das griechische Parlament fühlt sich immer heftiger bedroht von der es umgebenden "sozialen Instabilität", jener Instabilität, an deren Zustandekommen das griechische Parlament maßgeblich beteiligt ist.

Deshalb bedarf das griechische Parlament jetzt zusätzlichen Schutzes. Und befürchtet offenbar, dass die schlechtbezahlte, im Verbund mit der Neonazi-Partei Golden Dawn marodierende Polizei diesen Schutz nicht mehr ausreichend zu gewähren imstande ist. Und hat darum zur Aufstockung der parlamentarischen Schutzkräfte einen Vertrag mit der Killerfirma Blackwater alias Academi geschlossen. Bereits im  vergangenen Jahr.

Lange nichts davon gehört. Obwohl der ehemalige Botschafter Leonidas Chrysanthopoulos bereits im Dezember 2012 in der kanadischen Zeitschrift Millstone darüber berichtete. Aus Athen wurden Stellungnahmen verweigert, allerdings erfolgten auch kein Dementis. Nur allmählich macht der vertraglich abgesicherte Einsatz von Blackwater-Söldnern im zivilen Kampfgebiet Griechenland die Runde und ist mittlerweile auch in deutschsprachigen Medien angekommen: mit einem überaus informativen Interview, in dem Chrysanthopoulos über die aktuelle Entwicklung und bedrohliche Lage in Griechenland spricht.

Bedroht sieht der Ex-Diplomat jedoch weniger die griechischen Parlamentarier als vielmehr das griechische Volk: bedroht von den Übergriffen der Regierung, der Troika und von Blackwater.

Lesen. Lesen. Lesen. Unbedingt.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Gangnam Gaza Style



Ich hätte nie, wirklich NIE gedacht, dass ich jemals ein verdammtes Gangnam-Video in dieses Blog stellen würde.

Nie und nimmer, habe ich immer gedacht.


So kann man sich täuschen.


Hier kommt Gangnam Gaza Style, das frechste, intelligenteste, leichtfüßigste, lustigste und sichlustigmachendste, zugleich ernsthafteste Video nicht erst seit der Erfindung von Gangnam, mit einfachsten Mitteln umgesetzt und gerade deshalb so wirkungsvoll.
Ein Mobiltelefon, ein Sinn für Humor und eine Internetverbindung waren alles, was eine Gruppe von Palästinensern benötigte, um die Bedrängnisse zu illustrieren, denen sie tagtäglich ausgesetzt sind.


gefunden bei RT

Himmelherrgottsakramentkruzifixhalleluja


Holy shit.

Fluchen ist unschicklich. Befand unlängst die katholische Kirche. In dem Fall eine katholische Highschool im amerikanischen New Jersey (via BoingBoing), die im Auftrag des Herrn unterwegs ist und sich deshalb -

No shit!

- "Queen of Peace High School" nennt. Ab sofort wird in den heiligen Hallen der Friedenskönigin - per eidesstattlicher Selbstverpflichtung - nicht mehr geflucht. Begründung: weil Fluchen unschicklich ist.

Who the hell gives a fuck?

Okay, könnte man so stehenlassen wie einen Sack Reis im katholischen Hinterland von New Jersey, ob der nun umgefallen oder stehengelassen worden ist ...

So, WTF?

... allerdings gilt der Anti-Fluch-Bannstrahl nur für die eine Hälfte der Schülerschaft. Denn siehe, es sind vor Gott nicht alle fluchenden Schandmäuler gleich. Dem gotteslästerlichen Gefluche für alle Zukunft feierlich abzuschwören ("I swear not to swear!") wurde ausschließlich dem weiblichen Teil des Schülerkörpers abverlangt.

Now fuck that shit.

Die andere, männliche Hälfte darf weiterhin ihrem Herzen mit Kraftausdrücken aller Art Luft machen und sonstwem sonstwas an den Hals wünschen. Fluchen sei nämlich, laut der katholischen Schulleitung, unweiblich -

Don't gimme that stupid bullshit.

- Magengeschwüre hingegen, im Umkehrschluss, ein urweibliches Privileg (... drum fluche, wem Gesundheit teuer, dafür meine Hand ins Fegefeuer!). Damit dies auch so bliebe und Gottes Wille geschehe, fügte die Schulleitung erläuternd hinzu: "We want ladies to act like ladies" -

What a piece of seriously fucked up stupid double standard horseshit.

- and boys like boys. Schließlich spielen Jungs Baseball und "können gar nicht anders als Obszönitäten auszustoßen, wenn ihnen ein Aufschlag danebengeht, und daran wird sich auch nichts ändern", während Mädels - pardon: ladies -, die beim Topflappenstricken eine Masche fallen oder am Herd die Suppe anbrennen lassen, gar nicht anders können als charmant mit den Zähnen zu knirschen und sich alles übrige zu verkneifen ...

Jesus, stop it, this is just fucked up as fuck.

... und daran wird sich auch nichts ändern, denn so ein Magengeschwür fällt nun mal niemandem in den Schoß, darauf muss frühzeitig, zielstrebig und mit Gottes Hilfe hingearbeitet werden. Und Gott sprach (oder war es ein 16-jähriger männlicher Schüler kurz vor dem Aufschlag?): "Es ist unattraktiv, wenn Mädchen ein loses Mundwerk haben."

Boy, now you have fucked that one up, too.

Als Belohnung für ihr gottgefälliges Lippenbekenntnis bekamen die fluchabstinenten Mädels je einen -

No shit, Sherlock!

- Lollipop geschenkt, um das schmutzige Mäulchen ein für allemal süßklebrig zu verstopfen, sowie als Zugabe eine Anstecknadel mit einem roten Verbots-Schrägstrich über zwei fest geschlossenen pink(!)farbenen Lippen -

Oh sweet Lord, please shut the fuck up.

- wohingegen die Jungs von der Schulleitung "gebeten" wurden, sich in Gegenwart von Mädels, pardon: ladies, mit der notorischen Flucherei doch bitte ein wenig zurückzunehmen. Schwören mussten die angehenden gentlemen dies allerdings nicht.

Now ladies and gentlemen, would you please fuck off?

Hier stehe ich - Gott helfe mir - und kann nicht anders als Obszönitäten auszustoßen, wenn ich einen solchen gequirlten Kuhfladen vor dem Herrn lese.

Fuck them all.


Sonntag, 3. Februar 2013

Schlafzimmerblick


Andere Länder, andere Maßnahmen, gleiche Stoßrichtung:

Schrittweise Entsorgung der armen, arbeitslosen, kranken, behinderten oder sonstwie der Gesellschaft zur Last fallenden, daher nutzlosen und eben drum überflüssigen Menschen, die zwar im offiziellen Sprachgebrauch (noch) als Menschen bezeichnet, jedoch immer unverfrorener als Untermenschen gedacht und behandelt werden.

Ihnen allen hängt derselbe Makel an: Sie kosten Geld und nehmen Platz weg. Sie nehmen viel zu viel Platz weg zum Leben. Deshalb muss ihnen der Platz weggenommen werden. Räumen sie den Platz nicht freiwillig, wird ihnen halt Geld weggenommen, weil, dann können sie sich den Platz nicht mehr leisten und hauen von allein ab, und dann ist man sie endlich los, vorerst jedenfalls.

Schauplatz Großbritannien, Tatort Schlafzimmer:

Neuester Schrei der austeritätsbesoffenen konservativen Regierung:
die sogenannte "Schlafzimmer-Steuer" (bedroom-tax). Eine Schlafzimmer-Steuer! Klingt fast pikant und ein wenig oh là là; ist aber nichts weiter als ein schnödes antisozialpolitisches Instrument, das die oben genannte Zielgruppe im Visier hat, um diese zu immer enger zusammengepferchtem Wohnen zu zwingen, zu immer weniger privatem Rückzugsraum, zu immer mehr zwischenmenschlichen Kompromissen, zu immer mehr Schlafstörungen und immer mehr Alpträumen. Genau das ist der Stoff, aus dem die Schlafzimmer-Steuer gemacht ist.

Kurz gesagt: Wer in seiner Wohnung - sie möge noch so bescheiden sein - ein Zimmer hat, von dem die Regierung der Meinung ist, es werde nicht benötigt, der wird künftig (ab April 2013) um mindestens 650 Pfund (750 Euro) seines jährlichen Wohngeldzuschusses erleichtert, sprich: bestraft werden. Wer sich das nicht leisten kann, bitte, der kann ja sein demokratisches Recht wahrnehmen und woanders hinziehen.

Wer also - nur als Beispiel - von dem überzogenen Anspruchsdenken befallen ist, zwei Schlafzimmer für zwei Kinder bereitzuhalten - ein Mädchen und ein Junge, beide unter zehn Jahre alt - dem wird von Amts wegen ein Schlafzimmer zu viel bescheinigt, will heißen: der wird mit einer Geldstrafe belegt werden. Sollte jemand so vermessen sein, ein Pflegekind in seine Familie aufzunehmen und diesem auch noch ein eigenes Schlafzimmer zur Verfügung zu stellen: Geht nur bei Strafe, denn Pflegekinder zählen amtlicherseits nicht als Kinder und ein Schlafzimmer für ein Pflegekind schon gar nicht, obwohl der Nachweis eines eigenen Schlafzimmers zwingend ist, um amtlicherseits überhaupt ein Pflegekind aufnehmen zu dürfen. Lustig, oder?

Es geht noch lustiger. Wer als geschiedener Elternteil ein Schlafzimmer bereithält für sein Kind, das ihn ein paarmal die Woche besuchen kommt - vergiss es, ab April darf das Kind in der Badewanne oder auf dem Dachboden übernachten, weil es keinen Anspruch mehr auf ein Schlafzimmer haben wird. Gleiches gilt für den vielversprechenden Nachwuchs, der infolge Jobmangels bei der Armee Unterschlupf gefunden hat und nach Ablauf seiner Dienstzeit - sofern er sie überlebt - in sein altes Kinderzimmer zurückkehren will: gestrichen. Nur nicht sentimental werden, meint die Regierung, können wir uns in diesen harten Zeiten nicht leisten, oder halt nur der, der es sich leisten kann, sentimental zu sein; bei Geldstrafe, wie gesagt.

Alle anderen: umziehen, aber flott. Wohin? Keine Ahnung - kleine bezahlbare Wohnungen, auch Sozialwohnungen, sind Mangelware in Großbritannien. Ist aber nicht das Problem der Regierung. Hauptsache bestrafen und irgendwie wegschaffen, den ungewaschenen, nutzlosen Pöbel. Hauptsache weg.

Lebenspartner, die es vorziehen, in getrennten Schlafzimmern zu nächtigen? Wie bitte? Wo kommen wir da hin? Geht gar nicht. Strafe! Kranke Angehörige, die wegen Ansteckungsgefahr, Krankheitsbeschwerden, Atemnot eines eigenen Schlafzimmers bedürfen? Ha, alles Einbildung, alles verwöhntes Luxusdenken, Strafe. Gestresste pflegende Angehörige, die wenigstens nachts ein paar Ruhestunden brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen? Wie, in einem eigenen Schlafzimmer? Geht's noch? Let them eat cake and sleep on the sofa! Ein extra Schlafzimmer für ein behindertes Kind, einen behinderten Lebenspartner? So weit kommt's noch. Lachhaft. Gehört bestraft. Sofort. Spätestens ab April.

Amtlicherseits heißt die Schlafzimmersteuer übrigens 'under occupancy tax', auf deutsch: Unterbelegungsabgabe. Unterbelegt geht im vom Austeritätswahn befallenen Endkapitalismus überhaupt nicht. Unterbelegt ist ein unhaltbarer Zustand, der von nicht ausgeschöpften Kapazitäten kündet, so was hat es gar nicht gern, das marode System. Deshalb fragt das System sich ständig und systematisch, ob da nicht noch was geht? Vielleicht eine Sonderzahlung auf unterbelegte Containerbaracken? Oder auf leerstehende Viehställe?

Oder, noch besser, vielleicht eine Geldstrafe auf unterbelegte Hühnerbatterie-Käfige? Solche mit weniger als zehn Hennen pro Quadratmeter? Wo noch genügend Platz wäre für ... na ja, man wird doch mal laut denken dürfen. Weil, bei der bekannt kostenbewussten Denke von Hühnerbatterie-Käfighaltern, ich meine, die sind doch zu allem bereit, bloß nicht zur Zahlung einer Geldstrafe wegen Unterbelegung, insofern ... gut, kann man ja mal im Auge behalten.

Und wenn alle Stricke reißen und alle Kapazitäten ausgeschöpft sind, gibt es ja immer noch die Straße. Da geht noch was! In britischen Birmingham zum Beispiel, da steigt die Obdachlosenrate um 400 Prozent! Im Monat! Da sind noch Kapazitäten frei! Also bitte. Irgendwie wird sich das Problem schon lösen. Am Ende wird es so aussehen, als habe es sich von selbst gelöst. Ein paar kalte Winterperioden, und gut ist.