Samstag, 23. Februar 2013

Nervöse Zuckungen an den Märkten


Die internationale Finanzwelt zittert. Die Märkte beben vor Schrecken. Der Untergang ist nahe:
"Ich habe die furchterregendste Grafik in Europa gesehen."
Die furchterregendste Grafik in Europa? Sollte das Unwahrscheinlichste alles Unwahrscheinlichen geschehen sein, hat etwa die Finanzwelt die furchterregenden Grafiken zur Arbeitslosigkeit in Südeuropa zur Kenntnis genommen? Und ist darüber zu Tode erschrocken? Mehr noch, fühlt sich einer "ernsten Bedrohung" ausgesetzt?


Ach was. Seit wann interessiert sich die Finanzwelt für Arbeitslosigkeit? Eben. Es muss also etwas viel Schlimmeres, Beunruhigenderes sein, was die Finanzleute dieser Welt aufwühlt und in Angst und Schrecken versetzt. Nämlich dies:


Dieses Wochenende wird in Italien gewählt. Richtig gelesen: gewählt, und nicht etwa dem Land ungefragt eine der Finanzfachkräfte dieser Welt (Mario Monti) von EU's Gnaden als Ministerpräsident übergestülpt. Es wird also gewählt - wo es sich doch bereits bei einer demokratischen Wahl um eine den Finanzmärkten höchst suspekte Veranstaltung handelt -, doch damit nicht genug: Was, wenn die Italiener einfach das wählen, was sie für richtig halten? Undenkbar! Katastrophe! Untergang!

Was die Finanzwelt bis ins Mark erschüttert und rot sehen lässt, ist die blaue Linie: Beppe Grillos Movimento 5 Stelle.
"Grillo ist ein zum Politiker gewandelter Kabarettist mit schockierend guten Chancen bei den italienischen Wahlen..."
- ein Ex-Kabarettist, der zum Politiker mutiert ist - da kann es einen Finanzler mit straightem Blick aufs Weltgeschehen natürlich nur grausen, aber dann kommt er, der Hammer, der eigentliche, schockierende, furchterregende:
"... mit einem aggressiven Anti-Banken-, euroskeptischen Wahlprogramm."
- weshalb der frühere Kabarettist Grillo eine "ernste Bedrohung" darstelle. Für wen oder was stellt er eine ernste Bedrohung dar?
"... für die aktuellen Reformbemühungen (die von Brüssel anerkannte - wohlgemerkt, nicht gewählte! - Regierung ist eifrig bemüht, die Wirtschaft zu liberalisieren, das Defizit zu reduzieren, den Arbeitsmarkt zu reformieren und so weiter). Die Finanzmärkte haben diese Bemühungen über die letzten Jahre geliebt, selbst wenn die Öffentlichkeit und die Realwirtschaft diese Liebe nicht teilten."
- und jetzt steigt und steigt dieser dahergelaufene aggressive Anti-Banken-Ex-Comedian Grillo in der Wählergunst und droht alles zunichte zu machen, was von der Finanzwelt in liebevoller Detailarbeit aufgebaut wurde. Schon bitter. Und furchterregend. Ich persönlich finde es zwar weitaus furchterregender, wenn eine handverlesene Finanzmarionette einfach so von oben den Italienern aufs Auge gedrückt wird; jedoch, der Finanzwelt klappern vor Angst die Knochen, weil dieser komische amateurhafte Kauz namens Grillo immer mehr "Kapital" ("capitalizing")schlägt
"... aus der tiefen Frustration, die in Italien existiert, wegen der schwachen Wirtschaft und infolge der Wahrnehmung, die derzeitige Regierung sei viel zu korrupt und mauschele mit dem Bankensektor."
- und das, wo doch die Finanzprofis dieser Welt die ausgewiesenen Experten fürs Kapitalisieren von allem möglichem sind, gern auch fürs Kapitalisieren von Korruption "und so weiter".

Tja, Jungs mit den schwachen Nerven, da hilft nur Abwarten bis Montagabend (Schließung der Wahllokale). Wenn ich euch etwas von Herzen gönne, dann ein bisschen Adrenalinausstoß wegen eines Politikers, der sich weigert, nach eurer Pfeife zu tanzen. Weil, ihr gönnt euch ja sonst nichts. Nicht einmal die Spur von Nervosität darüber, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Italien unter eurer Finanz-Hofschranze Monti auf satte 37 Prozent gestiegen ist.
Schönes Wochenende.

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