Freitag, 19. April 2013

Eisern links


Es gibt ja Leute, die hängen sich über ihr Bett das Porträt eines Großen Diktators. So als Einschlafhilfe.  Dann fallen sie selig in den Schlummer und träumen von großen Zeiten, träumen die ganze Nacht große Träume von großen Männern; im Einzelfall auch von großen Frauen, beispielsweise von einer gewissen Margaret Thatcher, die - mal eben "auf links" umgepolt - ihnen als fabelhafte Führungsfigur in ihren Träumen erscheint.

Morgens wachen sie dann erquickt und inspiriert auf, setzen sich an den Schreibtisch und das Geträumte in die Tat um, oder jedenfalls in ein Geschreib, dem, so hoffe ich inständig, niemals die Tat folgen möge. Weil, allein schon die wirre Buchstabenfolge "Was wir brauchen, ist eine Thatcher von links" verschafft mir bereits im Wachzustand solche Alpträume, dass ich künftig kein Auge mehr zutun könnte, aus lauter Angst, eine auf links umgekrempelte Eiserne bescherte mir einen nächtlichen Horrortrip nach dem anderen.

Brauchen wir eine kämpferische Bewegung? Menschen, die sich auflehnen, solidarisieren und erklärtermaßen dem Führerprinzip entsagen? Brauchen wir Indignados, Platzbesetzer, öffentliche Versammlungen, wo jeder mitreden darf? Alles nutzloser Schnickschnack, braucht kein Mensch. Was wir wirklich brauchen, ist eine gesunde Dröhnung autoritärer Führerschaft. Eine - yep! - "Eliteklasse".

Ohne den Führungsanspruch der linken Eliteklasse bleiben nämlich emanzipatorische Bewegungen von unten, von der Straße zum Aus-der-Pfeife-rauchen; und nicht nur das, viel schlimmer: Sie stellen sich sogar als "erkenntnistheoretisches Hindernis der angemessenen Konfrontation mit der Krise unseres politischen Systems" in den Weg. Weil führerlos. Weil erst durch ihn, den großen Führer, könnten "die Menschen entdecken, was sie wirklich wollen".

Keine Ahnung, was es ist, was die Menschen in Massen auf öffentliche Plätze treibt, wenn nicht das, was sie wollen oder nicht wollen? Ist ja auch egal. Irgend jemand von oben muss denen da unten klarmachen, was sie "wirklich wollen". Sollten die da unten auf die Straße geströmt sein, weil sie die Schnauze voll haben, von denen da oben alternativlos bevormundet zu werden, so werden sie von unserem radikalen Träumer eines Besseren belehrt: Denn an Belehrung von oben nach unten führe nun mal kein Weg vorbei und erst recht keiner zur Revolution. Basta. Alternativlos, versteht ihr, ihr Dumpfbrocken da unten?

Es ist nämlich so:
"Das absolute Paradox politischer Dynamik liegt darin, dass es eines Führers bedarf, um die Individuen aus dem Morast ihrer Massenträgheit herauszuziehen und sie zu motivieren zu einem selbst-überwindenden emanzipatorischen Kampf für Freiheit."
Hat da beim Lesen irgend jemand missfällig die Nase gerümpft?
Hat gar einer genölt, dem ganzen Führergequatsche wohne etwas Faschistisches inne? Unsinn. Dem wohnt überhaupt nichts Faschistisches inne. Warum nicht? Bitte, weil es dort steht, schwarz auf weiß:
"Diesen Zeilen wohnt absolut nichts Faschistisches inne."
Dann muss es ja stimmen. Wenn der tollkühne Träumer in seiner nichtfaschistischen Führerkabine es so diktiert.

Übrigens habe ich mir neuerdings über mein Bett ebenfalls das Porträt eines Großen Diktators gehängt. Als Einschlafhilfe. Und zum fröhlichen Aufwachen. Und um in den Phasen dazwischen von alpdruckartigen Erscheinungen halluzinierender Knalltüten mit Zwangsvorstellungen und unbehandelbarem kommunistischem Phantomschmerz-Syndrom verschont zu bleiben. Alternativlos:


7 Kommentare:

  1. Wie kannst du es wagen, den großen Führer der staatsgläubigen, hierarchiefreudigen Linken zu kritisieren? Sie werden dich auseinanderreißen! Also, nachdem der große Führer einen Text verfasst hat, aus dem sie zitieren können.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. "Also, nachdem der große Führer einen Text verfasst hat, aus dem sie zitieren können."

      Der war gut :))

      Löschen
  2. Tja, Zizek liebt "originality" und muss diese ständig für sein Wohlbefinden neu erzeugen. Man schenke ihm endlich eine hochdotierte Professur an einer amerikanischen Eliteuni, das kühlt das Mütchen ab und vielleicht führt das zu einem dann doch guten Alterswerk.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Stichwort „originality“, genau, der Kerl wollte unbedingt mal wieder in die Schlagzeilen (Z-Suchtsyndrom!) und hielt es deshalb für eine originelle Idee, sich an das aktuelle Ableben von Commandante Thatcher anzudocken.

      P.S. Eliteuni - he he, passt scho :)

      Löschen
  3. Ich hätte 50-prozentige Mann-Quote für dein Bett vorgeschlagen, aber dieser… und seine Hose…

    AntwortenLöschen
  4. Das reiht sich dann auch perfekt in die Meritokratie-, Neo-Konfuzianismus Propaganda ein, die die embedded Medien zurzeit "debattieren". Es entsteht ein schönes YinYang Bild, wenn man Neo-Pop Lenin/Stalinismus den weisen Herren der Meritokratie oder einer weisen Gilde von Moral und Befähigteneliten a la Konfuzianismus gegenüberstellen kann. Einfach prima dieser Meinungszirkus.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Na ja, von wegen YinYang - das tut (als Analogie) diesem „Meinungszirkus“ dann vielleicht doch zu viel der Ehre an. Ich meine, wenn sich jemand bei einer Figur wie Thatcher als zukunftsweisender Links-Blaupause bedient und damit besagten Meinungszirkus aufschnatzt, dann kann ich in letzterem beim besten Willen keine polaren Kräfte mehr erkennen. Sondern nur noch viel Yangiges, aber wenig Yinniges.

      Vielmehr schlechthinnig Schwachsinniges.
      (So viel Kalauer muss sein.)

      Löschen