Sonntag, 28. Juli 2013

Wisch und Geld weg


Ein tiefer Seufzer der Erleichterung entfährt meinem Geldbeutel.
Ihm, der ohnehin chronisch erleichtert, weil ständig leer ist; ihm, der ohnehin chronisch erleichtert, weil von schleichender Inflation geplündert wird. Ihm, dem im Normalfall nur Seufzer der Schwermut entfahren - ein Blick in den Geldbeutel und die Frage steht im entleerten Raum: Wie in drei Cent Namen willst du bis Monatsende über die Runden kommen? -, er also seufzt jetzt inbrünstig vor behaglicher Erleichterung: Siehst du, es geht doch!

Was ist geschehen? Mein chronisch sparsames Leben hat jetzt eine neue, erleichternde Komponente bekommen: Von der Konsumgüterindustrie naht Hilfestellung. Die Industrie hat nämlich endlich verstanden, dass der gemeine Konsument an allem sparen muss, im Kleinen wie im Großen, weil es sonst hinten und vorne nicht reicht. Deshalb kommt die Industrie jetzt dem dauerklammen Sparbrötchen entgegen, indem sie bereits im produzierenden Vorfeld Sparmaßnahmen ergreift; Sparmaßnahmen, um dem Sparbrötchen das Sparen abzunehmen, im Kleinen wie im Großen.

Die Rede ist von Klopapier. Es gilt:

Wer nie auf seinem Lokus saß
wer nie voll kummervollen Blicks,
der letzten Blätter Zahl bemaß,
der kennt sie nicht, die allerneusten Tricks.

(Sorry für den bastardisierten Goethe. Fällt unter Notdurft.)

Der neueste Trick wurde von der Klopapierindustrie ersonnen. Er fällt in die - herstellerseits - beliebte Kategorie 'Innovation', die von Konsumentenseite gern despektierlich mit "drauf geschissen" kommentiert wird, was die Herstellerseite zu immer neuen innovativen Höhenflügen anspornt. Innovativ ist immer dann, wenn kostendämpfende Produktionsmaßnahmen als bahnbrechend neue Produktqualität verkauft werden. Der Trick dabei: flankierende kreative Wortfindungsmaßnahmen.

Und nun der allerneueste kreative Klopapierwortfindungsknaller:
Desheeting.
Bitte nicht nachschlagen, denn das Wort gibt es nicht. Desheeting. Mit lang gesprochenem "ee", damit kein despektierlicher Klopapierkonsument auf die naheliegende Idee kommt, mit "drauf geschissen" zu kontern. Desheeeeting also.

Es wurde soeben frei erfunden von der Klopapierfirma Kimberley-Clark und bedeutet so viel wie: Wir entblättern eure Klopapierrollen, sprich: Wir reduzieren die Anzahl der Blätter, but don't you worry, ihr kriegt das Gleiche für euer Geld, ha!, ihr kriegt sogar noch mehr fürs Geld!

Wie, mehr fürs Geld bei weniger Blättern? Ja freilich! Einfach bisschen kreativ sein! Mehr fürs Geld bei weniger Blättern geht so:
Der Wesensbestandteil der Innovation liegt darin, das Papier aufzuplustern, ohne zusätzliches Material zu verwenden - das Papier "ist um 15 Prozent voluminöser", dafür enthält es 13 Prozent weniger Blätter.
Können alle Klopapiersparbrötchen folgen? 13 Prozent weniger Blätter bei 15 Prozent mehr Blattvolumen - wenn das kein Schnäppchen ist! Bares Geld gespart, immerhin zwei Prozent, bitte, Kleinvieh macht auch Mist, und wer braucht schon zwei Blatt Klopapier, wenn's mit einem einzigen locker von vorne bis hinten reicht?
"Wir wollen den Konsumenten ein besseres, stärkeres Klopapier geben, damit Sie weniger Blätter benötigen, um Ihr Geschäft zu erledigen."
Phantastisch. Künftig muss ich nicht mehr am Klopapier sparen - der Job wird für mich bereits in der Klopapierfabrik erledigt. Fürs gleiche Geld. Die wollen noch nicht mal mehr Geld von mir dafür, dass sie für mich sparen. Was jetzt noch fehlt, ist die Erfindung des blattlosen Klopapiers.

Und jetzt alle:

Wer nie auf seinem Lokus hockte
wer nie, gewahr des letzten Blatts,
gemerkt, was Hakle hier verbockte,
dem knall' ich einen vor den Latz.

Sorry, Goethe. Ich musste mal ganz dringend.

4 Kommentare:

  1. Es fehlt noch die benutzerdefinierte Differenzierung nach "Faltern" (90%), "Knüllern" und "Wicklern" (Minderheit)sowie die vorgeschriebene Höchstzahl an dreilagigen Blättern für einen Reinigungsvorgang: 4 - Vorputz, Hauptputz, Nachputz und Polieren.

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    1. Gegenstandslos, da die in meinem Post erwähnte Zielgruppe bereits eine benutzerdefinierte ist: Leute ohne Geld = Klopapiersparbrötchen. Die zählen naturgemäß weder zu den Knüllern (zu hoher Materialverschleiß) noch zu den Wicklern (dekadente Luxusschisser, die die halbe Rolle rasant abschnurren lassen, um verschwenderisch wickeln zu können).

      Im übrigen werden in meinem Sparbrötchenhaushalt - wir sind voll auf dem desheeting-Trip! - pro Vorgang statt früher 2 jetzt nur noch 1,86 Blatt benutzt, weil, sie muss sich ja rechnen, die desheeting-Sparmaßnahme, d.h. das Falten wird (mangels Masse) in Kürze ebenso tabu sein wie das Knüllen und Wickeln.

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  2. Ich dressiere meinen Darm auf Enthaltsamkeit!

    Erlaubt: Einmal morgens und mittags. Danach gilt, länger verdauen und länger aufbewahren, innehalten.

    Da ich kaum noch Zeitungen lese, entfällt auch die Alternative, die meine Eltern und Urgrosseltern mit der Schere in benutzerfreundliches Format zugeschnitten haben.

    Später als es diese Rollen zu kaufen gab erwähnte mein Vater des öfteren, in welchem Luxus wir doch jetzt leben würden und dass in arabischen Ländern das noch mit der Hand erledigt werde. Mit welcher weiss ich nicht mehr.

    Übrigens, Speiseeis wird auch aufgeschäumt. 50% mehr Volumen aber nicht für Reinigungszwecke.

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  3. Wenn das Sparbrötchen nun auch noch weniger trinkt, was nicht nur Geld spart, sondern auch zu einem staubtrockenem Endergebnis führt, reicht in Zukunft ein einfacher Handfeger (mit weniger Borsten, die dafür aber leicht aufgefasert sind). Das Multitool ist selbstverständlich auch in anderen Bereichen des Haushaltes einsetzbar.


    (Hab beim Lesen laut(!) gelacht)

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