Dienstag, 24. September 2013

Die Züchter sind unter uns


"May these days become struggle against fascism, and against what breeds it."
Pavlos Fyssas "Killah P"
In memoriam Killah P:



Against what breeds it?

Wer ist es, der den Faschismus herangezüchtet hat?
Stell dir eine Schulklasse vor, wo ein Zehnjähriger einen Mitschüler rassistisch beschimpft. Wenn der Lehrer nichts unternimmt, um die Pöbelei zu stoppen, sondern dem Zehnjährigen erlaubt, ungehindert weiter zu pöbeln - vielleicht weil er keine Lust hat einzugreifen, oder weil er insgeheim die Pöbelei gut findet -, dann ist er, indem er nichts unternimmt, ein Faschist. 
Es war nicht Golden Dawn allein, von denen die vergiftete migrantenfeindliche Rhetorik in Umlauf gebracht wurde. Es war Ministerpräsident Antonis Samaras, der forderte, "die Städte zurückzuerobern von den illegalen Migranten". Es war der Minister für öffentliche Sicherheit mit seinen "Mauern von Konstantinopel vor der Invasion der ottomanischen Truppen". Es war ein weiterer Minister, der Golden Dawn "eine authentische Bewegung" genannt hatte.
Stell dir vor, der Zehnjährige fährt fort mit seinen rassistischen Hasstiraden und macht daraus eine Einschüchterungstaktik gegenüber seinem Mitschüler. Der Lehrer verharrt in seiner Untätigkeit und erscheint allmählich wie ein den Faschismus bejahendes Werkzeug.
Es war nicht Golden Dawn, die Konzentrationslager für Migranten errichtet haben. Es waren griechische Sozialdemokraten von PASOK. Es war ein Minister für öffentliche Sicherheit von Nea Demokratia, ein selbsternannter "Liberaler".

Es war nicht Golden Dawn, die HIV kriminalisiert haben. Es waren Politiker von PASOK und Nea Demokratia.
Dann greift ein dritter Schüler ein und versucht, die rassistischen Übergriffe des Zehnjährigen zu bremsen. 
Es war nicht Golden Dawn, die Verhaftete in Handschellen gefoltert haben. Es war auch nicht Golden Dawn, die im Parlament die Folterung geleugnet haben. Es war die Polizei eines EU-Landes, und es waren Politiker der Regierung, obwohl gerichtsmedizinische Gutachten massive Schlagwunden sowie Narben von Elektroschockwaffen bestätigt hatten. Der Minister für öffentliche Sicherheit drohte sogar, die britische Zeitung Guardian zu verklagen wegen eines Berichtes über die Foltermethoden der griechischen Polizei. Er hat dies bis heute nicht getan. Er weiß, warum.
Nun bestraft der Lehrer den dritten Schüler und droht ihm mit dem Rauswurf aus der Schule.
Es war die Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten, die Demonstranten und Streikende mit Polizeigewalt härter verfolgten als es ihnen je gegen die Neonazis in den Sinn gekommen wäre.
Der Lehrer ist nun nicht länger ein Faschist, der nichts unternimmt. Er ist ein Faschist, Punkt.
Im Lehrerzimmer herrscht nach der Ermordung von Pavlos Fyssas heller Aufruhr: Im Lehrerzimmer sind sie jetzt geflissentlich damit beschäftigt, Maßnahmen gegen den Faschismus zu ergreifen.

Wie der Zufall es wollte, war am Tag von Angela Merkels fulminantem Wahlsieg wieder einmal das Schuldirektorium - alias Troika - zu Gast in Athen: Kontrollbesuch, business as usual, ob das auch alles nach Plan läuft, das mit den Reformen, also mit den Kürzungen und den Entlassungen und der Arbeitslosigkeit und der sozialen Verelendung und der Suizidrate und, na ja, dem Faschismus - haben sie zwar so nicht gesagt, haben aber auch nichts gegen den Faschismus gesagt -, und die Lehrer haben alle genickt und geflissentlich Ja gesagt und ihr Bestes zu tun versprochen.

Das wolle sie auch mal schwer hoffen, hat die strenge Schuldirektorin geantwortet, noch am Abend ihres fulminanten Wahlsieges:
"Wir sollten nicht aufhören, Druck auszuüben, dass die vereinbarten Reformen durchgeführt werden."
Das mit dem Faschismus sei nicht ihr Problem, hat sie gesagt, schließlich wolle sie sich als Schuldirektorin nicht in griechische Lehrerangelegenheiten einmischen. Na ja, eigentlich hat sie zum Faschismus in Griechenland gar nichts gesagt. Aber auch nichts gegen den Faschismus in Griechenland. Nur die Reformen, die lägen ihr wirklich am Herzen. Mit unerbittlicher Härte.

Komme, was da wolle.

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